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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0454
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Stellenkommentar EH klug, KSA 6, S. 289-290 431

zwischen 1856 und 1859 (Uraufführung 1865), Die Meistersinger von Nürnberg
zwischen 1845 und 1867 (Uraufführung 1868). Der Ring des Nibelungen besteht
aus vier Teilen: Das Rheingold (1851-1854, Uraufführung 1869), Die Walküre
(1851-1856, Uraufführung 1870), Siegfried (1851-1871, Uraufführung 1876) und
Götterdämmerung (1848-1874, Uraufführung 1876). Zu Wagners Erholung vom
Tristan mit den Meistersingern und dem Ring vgl. dessen eigene Darstellung in
seinem Brief an Mathilde Wesendonck vom 21. 12. 1861 (Wagner 2003, 13,
338 f.). Einige Jahre später nahm Wagner die Arbeit am Ring wieder auf, welche
seit 1857 geruht hatte.
290, 7-10 Die Welt ist arm für den, der niemals krank genug für diese „Wollust
der Hölle" gewesen ist: es ist erlaubt, es ist fast geboten, hier eine Mystiker-
Formel anzuwenden.] Die Wendung kehrt bei N. nur in NL 1888, KSA 13,
20[103], 567 wieder: „Schwärzres und Schlimmres schautest du als irgend ein
Seher: durch die Wollust der Hölle ist noch kein Weiser gegangen."
„Wollust der Hölle" ist keineswegs, wie häufig behauptet, ein Neologismus
N.s. Sie lässt sich beispielsweise im historischen Roman Kaiser und Narr von
Heribert Rau (1813-1876) belegen: „Grausamkeit ist die Wollust der Hölle und
nach ihr verlangte mit diabolischer Gier der Großmeister." (Rau 1845, 1, 102)
Belege wie dieser lassen sich freilich kaum mit N.s Aussage zusammenbringen,
es handle sich hier um eine „Mystiker-Formel". Die Quelle ist eine andere,
nämlich Philipp Mainländer, den N. noch in NL 1888, KSA 13, 14[222], 395 (KGW
IX 8, W II 5, 5, 44-54) nennt. N. besaß die Philosophie der Erlösung (NPB
375, vgl. auch N.s Brief an Overbeck, 02. 07. 1885, KSB 7, Nr. 609, S. 61. N.s
Handexemplar ist nicht erhalten). Dort behandelt Mainländer ausführlich die
Theologia deutsch, eine später von Luther edierte, anonyme mystische Schrift
des 14. Jahrhunderts, die Mainländer als Beispiel dient, wie „der Mensch zur
Selbstentäusserung kommen, [...] den Eigenwillen in sich zerstören" kann
(Mainländer 1876, 609; er benutzt die Ausgabe Theologia deutsch von 1855,
auch wenn er ebd., 606 von einer — inexistenten — Ausgabe Stuttgart 1853
spricht). Dabei lobt er die „Besonnenheit des Mystikers, der der perversen Ver-
nunft nicht gestattete, das Weltganze in eine erfaselte, schlappe, schlaffe
Unendlichkeit zerfliessen zu lassen" (Mainländer 1876, 609). Nach zahlreichen
Zitaten resümiert Mainländer (ebd., 610): „Mit seiner Vernunft erkennt sich der
Mensch zunächst selbst und kommt dadurch in einen sehr eigenthümlichen
Zustand, der treffend die , Wollust der Hölle' genannt wurde, aus welchem
ihn jedoch Gott erlöst." „Wollust der Hölle" selbst ließ sich in der benutzten
Ausgabe der Theologia deutsch nicht nachweisen.
Das geballte Auftreten von „Unendlichkeit" (289, 30 f.), „Mystiker" (290,
10) und „Wollust der Hölle" (290, 8 f.) legt es nahe, in Mainländer 1876, 609 f.
N.s Vorlage zu sehen. Freilich ist auch in Alfred Ernsts Richard Wagner et le
 
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