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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0472
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Stellenkommentar EH Bücher, KSA 6, S. 297-298 449

dung einer „neue[n] Form der Akademie" aus (KSB 3, Nr. 113, S. 167, Z. 67 f.).
In einem Brief an Reinhart von Seydlitz vom 24. 09. 1876 heißt diese Institution
dann „eine Art Kloster für freiere Geister" (KSB 5, Nr. 554, S. 189, Z. 23 f.), in
NL 1876, KSA 8, 16[45], 294: „Moderne Klöster — Stiftungen für solche Freigeis-
ter — etwas Leichtes bei unsern grossen Vermögen." N. kam auf ähnliche Über-
legungen mit unterschiedlichen Beteiligten im Laufe seines Denkweges immer
wieder zurück, vgl. ausführlich Treiber 1992. Da sich ein solches „Kloster für
freiere Geister" offenbar als nicht realisierbar erwies, vertagt N. es 1888 in
die Zukunft. Zugleich ist kein gleichberechtigter Dialog „freierer Geister" mehr
vorgesehen, sondern nur noch die Auslegung des einen, singulären freien Geis-
tes Friedrich N. Dass dies mit einer Akademisierung einhergehen wird, sieht
N. mit seiner Bemerkung, es werde dereinst Lehrstühle zur Interpretation von
Also sprach Zarathustra geben, offensichtlich auch schon ab.
298, 13 f. heute bereits Ohren und Hände für meine Wahrheiten] Die Wahr-
heiten, die N. im Angebot hat, sind nicht nur theoretischer Art und wollen
nicht bloß gewusst sein. Vielmehr fordern sie offensichtlich zur Tat, weshalb
„Hände" für sie unerlässlich sind. Sie sollen begriffen werden — dass sie es
von Zeitgenossen nicht werden, sei „begreiflich" (298, 16).
298, 16-18 Ich will nicht verwechselt werden, — dazu gehört, dass ich mich
selber nicht verwechsele.] Zum dominanten Motiv der Verwechslungsangst vgl.
z. B. NK 257, 16-18.
298, 18 f. Nochmals gesagt, es ist wenig in meinem Leben nachweisbar von
„bösem Willen"] Vgl. EH Warum ich so weise bin 4, KSA 6, 270, 10-15.
298, 20 f. Dagegen zu viel von reiner Thorheit...] Das Parsifal-Motiv von
der „reinen Thorheit" wird in N.s Spätwerk bis zur Ermüdung in ironischer
Absicht bemüht, vgl. z. B. NK 304, 16 f. und NK KSA 6, 130, 14-17.
298, 21-25 Es scheint mir eine der seltensten Auszeichnungen, die Jemand sich
erweisen kann, wenn er ein Buch von mir in die Hand nimmt, — ich nehme
selbst an, er zieht dazu die Schuhe aus, — nicht von Stiefeln zu reden...] Vgl. N.s
Briefentwurf von Anfang September 1888, vermutlich an Carl Spitteler: „Bisher
war ich ebenfalls gewohnt, daß, wer in meine Bücher kam, die Schuhe aus-
zog... Die Herren Widmann und Spitteler haben nicht einmal die Stiefeln ausge-
zogen — und was für Stiefeln!..." (KSB 8, Nr. 1099, S. 407 f., Z. 28-21) Im Blick
auf zwei Gebote aus dem Dekalog: „solche Worte hiess man einst heilig; vor
ihnen beugte man Knie und Köpfe und zog die Schuhe aus." (Za III Von alten
und neuen Tafeln 10, KSA 4, 253, 16 f.) Dem Heiligen, so die religionsgeschicht-
lich sehr alte Vorstellung (vgl. z. B. Exodus 3, 5), tritt man mit bloßen Füßen
gegenüber (vgl. neben NL 1885, KSA 11, 37[13], 588 = KGW IX 4, W I 6, 57, 22-
 
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