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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0491
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468 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

nen, den Zwielicht-Frohen, / deren Seele mit Flöten zu jedem Irrschlunde gelockt
wird: / — denn nicht wollt ihr mit feiger Hand einem Faden nachtasten; und wo
ihr errathen könnt, da hasst ihr es, zu erschliessen...] Ein Zitat aus Za III
Vom Gesicht und Räthsel 1, KSA 4, 197, 17-23 (dort „Irr-Schlunde" statt „Irr-
schlunde"; ein Komma zwischen „und wo"; statt drei Punkten ein Gedanken-
strich am Schluss). Das Faden-Nachtasten spielt auf Theseus' Methode an, sich
im Labyrinth des Minotauros zurechtzufinden.
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304, 5-8 Ich sage zugleich noch ein allgemeines Wort über meine Kunst des
Stils. Einen Zustand, eine innere Spannung von Pathos durch Zeichen, einge-
rechnet das tempo dieser Zeichen, mitzutheilen — das ist der Sinn jedes
Stils] Auch wenn das dramatisch und neu klingt, ist die spezifische Differenz
zu herkömmlichen Stil-Definitionen nicht so leicht auszumachen. In der Poetik,
Rhetorile und Stilistile (NPB 637) seines kurzzeitigen Basler Kollegen Wilhelm
Wackernagel (1806-1869) konnte N. beispielsweise lesen: „der Stil ist keine
todte Maske, die über den Inhalt gedeckt wird, sondern er ist die lebensvolle
Gebärde des Angesichts, zu welcher Fleisch und Bein sich in der Weise gestal-
ten, wie die Seele von innen heraus wirkt" (Wackernagel 1873, 311). Guter Stil
als gelungenes Verhältnis von äußerer Form zu etwas innerlich Vorhandenem
bestimmt traditionell das Verständnis von Stil: „Ueberall in dem ganzen weiten
Gebiete aller Kunst, auch der bildlichen, auch der Musik, nennen wir es Stil,
wo sich in der äusseren Darstellung eine innere Eigenthümlichkeit durch cha-
racteristische Merkmale deutlich ausspricht" (ebd., 312 f.).
In der von N. gegebenen Stil-Definition fällt auf, dass er gerade diese
Voraussetzung nicht aufgibt, sie freilich dahingehend modifiziert, dass Stil
nicht mehr einer feststehenden Substanz, einer festgefügten „inneren Eigen-
thümlichkeit" zum adäquaten Ausdruck verhilft, sondern beständig wechseln-
den Zuständen. Aus dem Wechsel und der Transformation dieser Zustände
erklärt sich dann auch die dem sprechenden Ich mögliche Stilpluralität (304,
8-12). Die Pointe von N.s „Kunst des Stils" besteht nach der hier gegebenen
Definition darin, dass zumindest beim literarischen Werk Ecce homo das Dar-
gestellte und der Darstellende im schreibenden Ich zusammenfallen — was
wiederum gemäß Handbuchwissen zu trennen wäre: „Stil ist die Art und Weise
der Darstellung durch die Sprache, wie sie bedingt ist theils durch die geistige
Eigenthümlichkeit der Darstellenden, theils durch Inhalt und Zweck des Darge-
stellten." (Wackernagel 1873, 313) Im Kapitel „Stil des Gefühls" wird bei
Wackernagel übrigens auch das „Pathos" abgehandelt — im Gegensatz zum
 
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