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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0503
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480 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

in die Unterwelt jeder Seele hinabzusteigen weiss, welcher nicht ein Wort sagt, nicht
einen Blick blickt, in dem nicht eine Rücksicht und Falte der Lockung läge, zu dessen
Meisterschaft es gehört, dass er zu scheinen versteht — und nicht das, was er ist,
sondern was denen, die ihm folgen, ein Zwang mehr ist, um sich immer näher an
ihn zu drängen, um ihm immer innerlicher und gründlicher zu folgen... Das Genie
des Herzens, das alles Laute und Selbstgefällige verstummen macht und horchen
lehrt, das die rauhen Seelen glättet und ihnen ein neues Verlangen zu kosten
giebt, — still zu liegen, wie ein Spiegel, dass sich der tiefe Himmel auf ihnen spie-
gele... Das Genie des Herzens, das die tölpische und überrasche Hand zögern und
zierlicher greifen lehrt; das den verborgenen und vergessenen Schatz, den Tropfen
Güte und süsser Geistigkeit unter trübem dickem Eise erräth und eine Wünschelru-
the für jedes Korn Goldes ist, welches lange im Kerker vielen Schlammes und San-
des begraben lag... Das Genie des Herzens, von dessen Berührung Jeder reicher
fortgeht, nicht begnadet und überrascht, nicht wie von fremdem Gute beglückt und
bedrückt, sondern reicher an sich selber, sich neuer als zuvor, aufgebrochen, von
einem Thauwinde angeweht und ausgehorcht, unsicherer vielleicht, zärtlicher zer-
brechlicher zerbrochener, aber voll Hoffnungen, die noch keinen Namen haben,
voll neuen Willens und Strömens, voll neuen Unwillens und Zurückströmens..."] Ein
Zitat aus JGB 295, KSA 5, 237, 2-27 (dort: „geborene" statt „geborne"; „nicht Das,
was er ist, sondern was Denen" statt „nicht das, was er ist, sondern was denen";
„zu folgen: — das Genie" statt „zu folgen... Das Genie"; „still zu liegen wie" statt
„still zu liegen, wie"; „spiegele —; das Genie" statt „spiegele... Das";
„Schlamms" statt „Schlammes" sowie „lag; das Genie" statt „lag... Das Genie").
307, 18 f. Genie des Herzens] Die Wendung kommt bei N. nur in JGB 295 und
hier vor. Sie ist schon im 18. Jahrhundert im Umkreis von Johann Caspar Lava-
ter und Matthias Claudius belegt (vgl. die Nachweise bei Ebeling 1994, 47 f.).
N. konnte den Ausdruck etwa in dem von ihm gekauften (allerdings in seiner
Bibliothek nicht erhaltenen) Vorlesungsband von Karl Julius Schröer Die deut-
sche Dichtung des 19. Jahrhunderts gefunden haben: „Es ist eben beim Weibe
die Gewalt der Natur, das ,Genie des Herzens' massgebend, der gegenüber nur
das Genie des Geistes, des genialen Künstlers, eine /288/ andre Naturgewalt,
Stich hält." (Schröer 1875, 287 f.)

Die Geburt der Tragödie.
1
309, 1 Die Geburt der Tragödie.] In der Ausgabe von 1872 lautete der Titel, den
N. hier verkürzend wiedergibt: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
 
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