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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0506
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Stellenkommentar EH GT, KSA 6, S. 309-310 483

aber schon am 8. August 1870 Wilhelm Vischer um Beurlaubung vom Basler
Lehramt, damit er „als Soldat oder als Krankenpfleger" (KSB 3, Nr. 89, S. 133,
Z. 9 f.) auf deutscher Seite Dienst tun könne. Nach einer kurzen Sanitätsausbil-
dung war N. vom 25. August an als freiwilliger Krankenpfleger oder „Felddia-
kon" (damit nicht als Angehöriger des Heeres) im Einsatz (vgl. CBT 223-227 u.
Janz 1978, 1, 375-377). 310, 1-2 könnte die Suggestion erzeugen, N. selbst sei in
Wörth dabei gewesen. Sie kommt in GT Versuch einer Selbstkritik 1 nicht auf:
„Während die Donner der Schlacht von Wörth über Europa weggiengen, sass
der Grübler und Räthselfreund, dem die Vaterschaft dieses Buches zu Theil
ward, irgendwo in einem Winkel der Alpen, sehr vergrübelt und verräthselt,
folglich sehr bekümmert und unbekümmert zugleich, und schrieb seine Gedan-
ken über die Griechen nieder" (KSA 1, 11, 7-13).
N.s Aussage, die Tragödienschrift sei „unter den Donnern der Schlacht bei
Wörth begonnen" worden, enthält eine Anspielung auf ein ähnlich lauten-
des Diktum zu Hegels Phänomenologie des Geistes (Groddeck 1984, 331). Dieses
ist wie folgt belegt: „Gans im Nekrolog Hegel's in der Preußischen Staatszei-
tung hat gesagt — und von da ist es oft wiederholt —, Hegel habe die Phänome-
nologie des Geistes unter dem Donner der Kanonen der Schlacht von Jena
vollendet." (Rosenkranz 1844, 228) Das Zitat lautet bei Gans wörtlich: „Unter
dem Donner der Schlacht von Jena vollendete Hegel seine Phänomenologie
des Geistes und nahm mit ihr einen immerwährenden Abschied von der philo-
sophischen Denkweise Schellings." (Gans 1834, 2, 245) Auch wenn es sehr frag-
lich ist, ob N. die zitierten Schriften kannte, lässt besonders die Umkehrungsfi-
gur zwischen den Wörtern „vollendet" und „begonnen" vermuten, dass er
mit dem Diktum vertraut war — umso mehr, als er seine Tragödienschrift in
EH GT 1, KSA 6, 310, 6 f. als „anstössig Hegelisch" empfindet.
310, 2-4 Ich habe diese Probleme vor den Mauern von Metz, in kalten Septem-
ber-Nächten, mitten im Dienste der Krankenpflege, durchgedacht] Am 2. Septem-
ber 1870 reiste N. von Nancy nach Ars sur Moselle südöstlich von Metz (N. an
Elisabeth N., 02. 09. 1870, KSB 3, Nr. 97, S. 139), erkrankte aber bereits am
3. September bei einem Verwundetentransport nach Karlsruhe an Ruhr und
Rachendiphtherie. Vom 4. bis zum 6. September lag N. in Karlsruhe, vom 6.
bis zum 14. September im Lazarett in Erlangen und hielt sich danach bis Ende
Oktober bei der Mutter in Naumburg auf (CBT 228-230). Er hatte also wenig
Gelegenheit, „diese Probleme vor den Mauern von Metz" zu durchdenken.
310, 14 Die Oper zum Beispiel und die Revolution...] In WA 4, KSA 6, 19 f. ent-
larvt N. Wagner als Anhänger der (politischen) Revolution (von 1848) und
bringt dies als Argument gegen Wagners Schaffen an, vgl. NK KSA 6, 19, 27-29.
In GT hatte N. noch selbst von der revolutionären Aufbruchsstimmung gezehrt,
die Wagners Kunst ins Werk zu setzen schien.
 
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