488 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
(piÄOQOcpov" (Schleiermacher übersetzt: „Aber dies", nämlich die an Hunden
beobachtbare Neigung, Unbekannten gegenüber böse zu sein, Bekannten
gegenüber hingegen freundlich, „ist doch gewiß eine herrliche Beschaffenheit
seiner Natur und wahrhaft philosophisch"). Bei Platon hat die Evokation des
„philosophischen Pathos" also eine ironische Färbung. Der Begriff wird bei
Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2, Kap. 17 variiert und
liegt für N. als Quelle näher: „Nur dem gedankenlosen Thiere scheint sich die
Welt und das Daseyn von selbst zu verstehn: dem Menschen hingegen ist sie
ein Problem, dessen sogar der Roheste und Beschränkteste, in einzelnen helle-
ren Augenblicken, lebhaft inne wird, das aber Jedem um so deutlicher und
anhaltender ins Bewußtsein tritt, je heller und besonnener dieses ist und je
mehr Stoff zum Denken er durch Bildung sich angeeignet hat, welches Alles
endlich in den zum Philosophiren geeigneten Köpfen sich zu Plato's Gavpa^eiv,
poÄa cpiÄonocpiKOV naOog (mirari, valde philosophicus affectus) steigert, näm-
lich zu derjenigen Verwunderung, die das Problem, welches die edlere Mensch-
heit jeder Zeit und jedes Landes unablässig beschäftigt und ihr keine Ruhe
läßt, in seiner ganzen Größe erfaßt." (Schopenhauer 1873-1874, 2, 189) Genau
auf diesen „Zustand des Erstaunens" (KGW I 4, 512, 22) zielt N.s Wortverwen-
dung in der frühen autobiographischen Aufzeichnung 60[l] ab, während in EH
GT 3 nicht etwa das Staunen am Anfang der Philosophie steht und das vom
(künftigen) Philosophen ursprünglich Erlittene ist, das ihn zum Nachdenken
treibt. Das philosophische Pathos erscheint vielmehr als Produkt einer „Umset-
zung", nämlich des Dionysischen, das als eine ursprüngliche existenzielle
Erfahrung ausgegeben wird. Vgl. NK 336, 14 f.
313, 4 das Werden] Zur Spezifikation von N.s Überlegungen zum Werden als
Substitut der alten Seinsphilosophie siehe NL 1887/88, KSA 13, 11[72], 35 f.
(KGW IX 7, W II 3, 166, 36-66-167, 38-68).
313, 7-12 Die Lehre von der „ewigen Wiederkunft", das heisst vom unbedingten
und unendlich wiederholten Kreislauf aller Dinge — diese Lehre Zarathustra's
könnte zuletzt auch schon von Heraklit gelehrt worden sein. Zum Mindesten
hat die Stoa, die fast alle ihre grundsätzlichen Vorstellungen von Heraklit geerbt
hat, Spuren davon.] Im Druckmanuskript fehlt das Ende des 3. Abschnitts von
EH GT. Es finden sich dort Spuren von Leim, die darauf hinweisen, dass in das
Manuskript ein Blatt eingeklebt war, das verlorenging (vgl. KSA 14, 458).
Der von 313, 7-12 behauptete philosophiegeschichtliche Zusammenhang ist
in der einschlägigen Handbuchliteratur zu N.s Zeit durchaus geläufig. So
schrieb Johann Eduard Erdmann im Heraklit-Kapitel seines (allerdings von N.
nirgends erwähnten) Grundrisses der Geschichte der Philosophie: „Die untrenn-
bare Verbindung der beiden Momente des Werdens [sc. des Werdens und Ver-
(piÄOQOcpov" (Schleiermacher übersetzt: „Aber dies", nämlich die an Hunden
beobachtbare Neigung, Unbekannten gegenüber böse zu sein, Bekannten
gegenüber hingegen freundlich, „ist doch gewiß eine herrliche Beschaffenheit
seiner Natur und wahrhaft philosophisch"). Bei Platon hat die Evokation des
„philosophischen Pathos" also eine ironische Färbung. Der Begriff wird bei
Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2, Kap. 17 variiert und
liegt für N. als Quelle näher: „Nur dem gedankenlosen Thiere scheint sich die
Welt und das Daseyn von selbst zu verstehn: dem Menschen hingegen ist sie
ein Problem, dessen sogar der Roheste und Beschränkteste, in einzelnen helle-
ren Augenblicken, lebhaft inne wird, das aber Jedem um so deutlicher und
anhaltender ins Bewußtsein tritt, je heller und besonnener dieses ist und je
mehr Stoff zum Denken er durch Bildung sich angeeignet hat, welches Alles
endlich in den zum Philosophiren geeigneten Köpfen sich zu Plato's Gavpa^eiv,
poÄa cpiÄonocpiKOV naOog (mirari, valde philosophicus affectus) steigert, näm-
lich zu derjenigen Verwunderung, die das Problem, welches die edlere Mensch-
heit jeder Zeit und jedes Landes unablässig beschäftigt und ihr keine Ruhe
läßt, in seiner ganzen Größe erfaßt." (Schopenhauer 1873-1874, 2, 189) Genau
auf diesen „Zustand des Erstaunens" (KGW I 4, 512, 22) zielt N.s Wortverwen-
dung in der frühen autobiographischen Aufzeichnung 60[l] ab, während in EH
GT 3 nicht etwa das Staunen am Anfang der Philosophie steht und das vom
(künftigen) Philosophen ursprünglich Erlittene ist, das ihn zum Nachdenken
treibt. Das philosophische Pathos erscheint vielmehr als Produkt einer „Umset-
zung", nämlich des Dionysischen, das als eine ursprüngliche existenzielle
Erfahrung ausgegeben wird. Vgl. NK 336, 14 f.
313, 4 das Werden] Zur Spezifikation von N.s Überlegungen zum Werden als
Substitut der alten Seinsphilosophie siehe NL 1887/88, KSA 13, 11[72], 35 f.
(KGW IX 7, W II 3, 166, 36-66-167, 38-68).
313, 7-12 Die Lehre von der „ewigen Wiederkunft", das heisst vom unbedingten
und unendlich wiederholten Kreislauf aller Dinge — diese Lehre Zarathustra's
könnte zuletzt auch schon von Heraklit gelehrt worden sein. Zum Mindesten
hat die Stoa, die fast alle ihre grundsätzlichen Vorstellungen von Heraklit geerbt
hat, Spuren davon.] Im Druckmanuskript fehlt das Ende des 3. Abschnitts von
EH GT. Es finden sich dort Spuren von Leim, die darauf hinweisen, dass in das
Manuskript ein Blatt eingeklebt war, das verlorenging (vgl. KSA 14, 458).
Der von 313, 7-12 behauptete philosophiegeschichtliche Zusammenhang ist
in der einschlägigen Handbuchliteratur zu N.s Zeit durchaus geläufig. So
schrieb Johann Eduard Erdmann im Heraklit-Kapitel seines (allerdings von N.
nirgends erwähnten) Grundrisses der Geschichte der Philosophie: „Die untrenn-
bare Verbindung der beiden Momente des Werdens [sc. des Werdens und Ver-