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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0517
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494 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

vermag eine liebe liberale Mittelmäßigkeit den Angstblick nicht höher zu
heben als bis zum Saume des Gewandes der Göttin, welcher allerdings häufig
genug von Blut und Thränen trieft. Sie aber wendet sich verachtungsvoll von
dem ,furchtsam weggekrümmten Wurm' der Bildungsphilisterei ab, wie der
Erdgeist von seinem feigen Beschwörer, und dieser verfällt der Bestrickung
durch Mephisto Konstitutionalismus, welcher verfassungsmäßigen Hokospo-
kus /147/ mit ihm treibt und mittelst allerhand parlamentarischer Gaukeleien
seinem Schützling einbildet, zu glauben, der liberale Bildungsphilister schiebe
(d. h. regiere), während er in Wahrheit geschoben oder unter Umständen auch
gestoßen (d. h. regiert oder auch despotisirt) wird." (Scherr 1865, 1, 146 f.) Auch
Wolfgang Menzel hat sich 1864 des „Bildungsphilisters" in polemischer Akzen-
tuierung bedient („Es ist die erste Pflicht des Bildungsphilisters über Fürsten
und Junker zu schimpfen und doch will er selbst von bürgerlicher Einfachheit
nichts mehr wissen, sondern legt in seinem ganzen Gebahren, in Kleidung,
Wohnung und Genüssen aller Art noble Passionen und aristokratische Ansprü-
che zur Schau und hat damit sogar schon die niedern Classen angesteckt." —
Menzel 1864, 191). Das Abstractum „Bildungsphilisterei" kam bereits 1848 in
Bettina von Arnims Ilius Pamphilius und die Ambrosia vor („Friß und rai-
sonire nicht, dies Sprüchelchen ist ein Talisman der Dich vor mancher
Bildungsphilisterei abhalten kann" — Arnim 1848, 1, 265). Es ist also auch
nicht so, dass der Ausdruck erst durch N. eine spezifische Bedeutung im Kon-
text seiner Kritik an der deutschen Kultur der Gründerjahre angenommen
hätte. Jedoch wurde er erst in der späteren Rezeption von UB I DS zum gassen-
läufigen Schlagwort (vgl. NWB 1, 382-384).
317, 17-21 Diese alten Freunde, denen ich als Würtembergern und Schwaben
einen tiefen Stich versetzt hatte, als ich ihr Wunderthier, ihren Strauss komisch
fand, antworteten so bieder und grob, als ich's irgendwie wünschen konnte; die
preussischen Entgegnungen waren klüger] Unter den Reaktionen auf UB I DS,
von denen die Mehrzahl anonym und weder in württembergisch-schwäbi-
schen, noch in preußischen, sondern in Schweizer Blättern erschien, treten im
süddeutschen Raum lediglich Gustav Binder, Sohn des gleichnamigen Freun-
des von David Friedrich Strauß und damals Professor am Evangelisch-theologi-
schen Seminar im bayerischen Schönthal (Kr I, 34 f.; erschienen 1873 in der
Wochenschrift Die Gegenwart), sowie Gustav Rümelin, damals Kanzler der Uni-
versität Tübingen (Kr I, 50), namentlich hervor. Zu den „preussischen Entgeg-
nungen" sind lediglich die Artikel von Ernst von Dryander aus der Berliner
Neuen evangelischen Kirchenzeitung von 1874 (Kr I, 37) und ebenfalls 1874 ein
zustimmender Beitrag Arthur Richters in der in Halle erscheinenden Zeitschrift
für Philosophie und philosophische Kritik (Kr I, 41) zu zählen.
 
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