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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0549
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526 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

seyn; wobei es vielleicht darauf eben ankam, ob es willig, etwa an einen gehei-
ligten Baum herankam und Stich hielt oder gefehlt, oder wie es getroffen
wurde u.s.w." (Welcker 1849, 1, 408-412).
Auf diese letzte Deutung des Apollon Sauroktonos spielt N. in 329, 24-330,
3 an: Er will den Augenblick festhalten, wie Apollon mit dem Pfeil die Eidechse
am Baume festmachte, um daraus die Zukunft zu lesen oder vorwegzunehmen,
wie es in 330, 3-5 anklingt.
330, 3-5 „Es giebt so viele Morgenröthen, die noch nicht geleuchtet haben" —
diese indische Inschrift steht auf der Thür zu diesem Buche.] Köselitz schrieb
auf die erste Seite der Kopie, die er von N.s Manuskript der Morgenröthe anfer-
tigte: „Es giebt so viele Morgenröthen, die noch nicht geleuchtet haben. Rig-
veda" (KSA 14, 203). Das Zitat bewog N., den Titel seiner Schrift, der bis dahin
„Die Pflugschar" (NL 1880/81, KSA 9, 9[Titel], 409, vgl. NK 324, 22 f.) gelautet
hatte, in „Eine Morgenröthe" umzuwandeln, unter Beibehaltung des Unterti-
tels „Gedanken über die moralischen Vorurtheile" (vgl. N. an Köselitz, 09. 02.
1881, KSB 6, Nr. 80, S. 61). In der endgültigen Fassung fiel der unbestimmte
Artikel („Eine") weg. Den von Köselitz zitierten Satz setzte N. als Motto seiner
Schrift voran (M, KSA 3, 9).
Die Quelle des von Köselitz „zufällig hingeschriebenen Vers[es]" ist N.
zufolge der „Hymnus an Varuna" (N. an Köselitz, 09. 02. 1881, KSB 6, Nr. 80,
S. 61) aus dem Rigveda, dem ältesten Teil der vier Veden. Wortwörtlich lässt
sich der Spruch — gemeint ist offenbar Rigveda II 28, 9 (in der späteren Über-
setzung von Karl Friedrich Geldner: „Viele Morgen sind noch nicht aufgegan-
gen; mach uns Aussicht, daß wir an diesen leben werden") — in den zeitgenös-
sischen Ausgaben des Rigveda allerdings nicht nachweisen; ausführlich
behandelt finden konnte N. das Thema der Morgenröte im Rigveda bei Kaegi
1881, 73-76 u. 186 f. (langes Zitat von Max Müller. Vgl. Müller 1884, 169, wo die
Übersetzung des Rigveda-Verses lautet: „Noch sind viele Morgenröten nicht
aufgegangen; verleihe uns, in ihnen zu leben, o Varuna!"; bei Zimmer 1879,
395: „viele Morgenröthen harren noch des Aufgangs").
Den Spruch in N.s Fassung nimmt 1885 auch dessen Briefpartner Carl
Fuchs auf, wenn er in seiner Freiheit des musikalischen Vortrages darüber nach-
denkt, was man alles künftig an Beethoven noch entdecken werde: „Mir wird
bei dem Gedanken an alle Dieses zu Muthe wie jenem indischen Priester gewe-
sen sein mag, der vor Jahrtausenden sprach: ,es giebt viele Morgenröthen die
noch nicht geleuchtet haben'" (Fuchs 1885, 27).
330, 15-17 Die Moral wird nicht angegriffen, sie kommt nur nicht mehr in
Betracht... Dies Buch schliesst mit einem „Oder?", — es ist das einzige Buch,
das mit einem „Oder?" schliesst...] Der letzte Aphorismus der Morgenröthe ist
 
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