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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0563
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540 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

du deine Pein..." (http://www.nietzschesource.org/facsimiles/DFGA/HYM; vgl.
N. an Köselitz, 08. 08. 1887, KSB 8, Nr. 886, S. 124 sowie Nietzsche 1976, 153-
163 und 341-343).
336, 14 f. das jasagende Pathos par excellence, von mir das tragische Pathos
genannt] In EH GT 3, KSA 6, 312, 27 f. hatte N. sein Denken als „Umsetzung des
Dionysischen in ein philosophisches Pathos" verstanden wissen wollen; in EH
GT 4, KSA 6, 313, 24 f. ein „tragisches Zeitalter" versprochen, das eine
„höchste Kunst im Jasagen zum Leben" mit sich bringen werde. Tragik und
Bejahung hat N. in GD Was ich den Alten verdanke 5, KSA 6, 160, 14-24 zusam-
mengebracht — in einem Passus, den er auch in EH GT 3, KSA 6, 312, 10-24
noch einmal zitiert. Der Grundgedanke scheint zu sein, trotz, ja gerade wegen
des Leidensüberhangs menschlicher Welterfahrung die Bejahung all dessen,
was ist, zu einer existenzbestimmenden Haltung auszurufen. Vor 336, 14 f. hat
N. diese Haltung allerdings in keinem seiner Werke „tragisches Pathos"
genannt; die Wendung kommt ansonsten nur noch ein einziges Mal in seinen
nachgelassenen Aufzeichnungen vor, nämlich in NL 1888, KSA 13, 14[33], 234 f.
(korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 174, 18-28): „Was das tragische Pathos
angeht: so nimmt N(ietzsche) nicht das alte Mißverständniß des Aristot(eles)
wieder auf als Transfiguration von Wollust und Grausamkeit ins Griechische:
Elemente, welche in den orgiastischen Festen / das Dionysische als eine Über-
strömung von und Einheit vielfacher, zum Theil schrecklicher Leidensehaften
Erregungen". Es klingt so, als schicke N. sich hier an, entweder einen Werbe-
text oder eine Rezension zu einem eigenen Werk (nämlich GT) zu verfassen.
336, 16 f. Man wird ihn später einmal zu meinem Gedächtniss singen.] N. sah
den Hymnus an das Leben als seine gelungenste Komposition an und, in Ver-
bindung mit dem Text Lou von Salomes, als ein für seine Philosophie repräsen-
tatives Gebilde. Er hat für das Stück mehr Propaganda betrieben als für man-
che seiner philosophischen Werke. Was ihm dieses „Glaubensbekenntniß in
Tönen" (N. an Carl Riedel, 20. 10. 1887, KSB 8, Nr. 932, S. 173, Z. 15) bedeutete,
zeigen die Worte, die er am 01. 09. 1882 an Heinrich Köselitz richtete: „Ich
möchte gern ein Lied gemacht haben, welches auch öffentlich vorgetragen wer-
den könnte —, ,um die Menschen zu meiner Philosophie zu verführen'. [...]
Ein großer Sänger könnte mir damit die Seele aus dem Leibe ziehn; vielleicht
aber, daß andre Seelen sich dabei erst recht in ihrem Leib verstecken!"
(KSB 6, Nr. 295, S. 249, Z. 3-8) Seiner Schwester schrieb er am 11. 11. 1887, der
Hymnus sei ihm „sehr werth, als der Ausdruck des gehobensten und stol-
zesten Zustandes, den ich erlebt habe" (KSB 8, Nr. 949, S. 193, Z. 43 f.). Er
wünschte, „daß dieses Stück Musik ergänzend eintreten möge, wo das Wort
des Philosophen nach der Art des Wortes nothwendig undeutlich bleiben muß.
 
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