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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0571
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548 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

einer identifikatorischen Referenz. Dass dieser die angeblich „grosse Liebe"
des Kaisers, der wenige Monate vor der Niederschrift von EH gestorben war,
zum Vorbild seiner eigenen Vorliebe für die Bucht von Rapallo macht und den
Lebenslauf Friedrich Wilhelms gezielt mit seinem eigenen Leben parallelisiert,
ist vor diesem Hintergrund zu sehen. N. war am Geburtstag des preußischen
Königs Friedrich Wilhelm IV. geboren worden und hatte von seinem königs-
treuen Vater dessen Vornamen erhalten. Viel stärker als mit Friedrich Wilhelm
IV. fühlte sich N. allerdings mit dessen Enkel, dem 1831 geborenen Kronprinzen
Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich III. verbunden. Bemerkens-
werte Parallelen in den Lebensläufen N.s und seines kaiserlichen Namensvet-
ters hat Bergmann 1988 hervorgehoben. Wie sehr N. den liberalen Herrscher
verehrte, der gleich ihm mit der Tradition zu brechen versucht hatte, zeigte
sich 1888 nach dessen Tod: Friedrich III. sei „die letzte Hoffnung für Deutsch-
land" gewesen, schrieb ein von dem Ereignis tief bewegter N. an Köselitz am
20. 06. 1888 (KSB 8, Nr. 1049, S. 338, Z. 48 f.). Es verwundert daher nicht, dass
N. „einen Einzigen" ausnimmt, wenn er in einem Fragment — unter dem Titel
„Todkrieg dem Hause Hohenzollern" — kurz vor seinem geistigen
Zusammenbruch seinen Zorn über das preußische Herrscherhaus ausgießt: Er
verschont darin „den unvergeßlichen Friedrich den Dritten, als den bestgehaß-
ten, bestverleumdeten der ganzen Rasse..." (NL 1888/89, KSA 13, 25[13], S. 643).
337, 13-15 — Auf diesen beiden Wegen fiel mir der ganze erste Zarathustra
ein, vor Allem Zarathustra selber, als Typus: richtiger, er überfiel mich...]
Entgegen dieser Behauptung legte N. mit dem Gedicht „Sils Maria" in der Fröh-
lichen Wissenschaft nahe, dass er im Oberengadin — an dem Ort, an dem im
Sommer 1881 die „Grundconception" (EH Za, KSA 6, 335) von Za entstand —
von Zarathustra ,überfallen' wurde: „Hier sass ich, wartend, wartend, — doch
auf Nichts, / Jenseits von Gut und Böse, bald des Lichts / Geniessend, bald
des Schattens, ganz nur Spiel, / Ganz See, ganz Mittag, ganz Zeit ohne Ziel. //
Da, plötzlich, Freundin! wurde Eins zu Zwei — / — Und Zarathustra gieng an
mir vorbei..." (FW Lieder des Prinzen Vogelfrei, KSA 3, 649) Vielleicht hatte N.
in diesem Gedicht eher die Idee des Werkes, nicht die Figur Zarathustra im
Sinn.

2
337, 19-339, 7 Ich weiss diesen Begriff nicht besser, nicht persönlicher zu
erläutern, als ich es schon gethan habe, in einem der Schlussabschnitte des
fünften Buchs der „gaya scienza". „ Wir Neuen, Namenlosen, Schlechtverständli-
 
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