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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0574
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Stellenkommentar EH Zarathustra, KSA 6, S. 337-339 551

nimmt, man fragt nicht, wer da giebt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit
Nothwendigkeit, in der Form ohne Zögern, — ich habe nie eine Wahl gehabt.] Von
seiner Einsicht in die Ewige Wiederkunft des Gleichen sprach N. bereits in NL
1881, KSA 9, 11[141], 494, als ob ihm eine Offenbarung widerfahren wäre.
Gleich in der nächsten Notiz relativierte er diesen vermeintlichen Offenba-
rungsanspruch ganz prinzipiell: „Rede ich wie einer, dem es offenbart worden
ist? So verachtet mich und hört mir nicht zu." (NL 1881, KSA 9, 11[142], 496,
4 f.) Vor dem Silser Erlebnis 1881 hatte er in MA I 155 und 156, KSA 2, 146 f.
angebliche „Inspiration" (namentlich von Künstlern, die aus der Inanspruch-
nahme von Inspiration Reputationsprofit zögen) ganz nüchtern auf physische
Bedingungen zurückgeführt, die sie schlicht als Illusion erscheinen lassen
(vgl. MA I 3, KSA 2, 26 sowie NL 1878, 30 [168] u. 30 [171], KSA 8, 553). Hält
man 339, 9-21 dagegen, so ergibt sich ein Schwanken zwischen Inspirations-
enthusiasmus für den Fall, dass N.s Interesse an der Selbstlegitimation durch
das Gesagte überwiegt, und Inspirationsentlarvung durch die Zurückführung
der entsprechenden Inhalte auf Menschlich-Allzumenschliches. Dieses
Schwanken steht nicht in direkter Abhängigkeit von den unterschiedlichen
Denk- und Werkphasen: Seine schärfste Kritik am Inspirations- und Offenba-
rungsanspruch hat N. nur kurz vor der selbstlegitimatorischen EH-Stelle for-
muliert, nämlich in AC 42 bei der Zurückweisung der „Hallucination" des Pau-
lus (vgl. NK KSA 6, 216, 24-29).
Man hat versucht, die Schilderung von EH Za 3 als genuin religiöse Erfah-
rung, als postchristliche „reviviscence du divin" zu verstehen (Valadier 2000,
81), ohne allerdings dieser Passage zur Metakritik die fast zeitgleiche Patholo-
gisierung des Paulinischen Damaskuserlebnisses in AC 42 zur Seite zu stellen:
Wenn dieser Archetyp eines religiösen Inspirationserlebnisses bloß eine Erfin-
dung des Paulus gewesen ist, an dessen Realität als Erlebnis nach N. kein
Psychologe glauben dürfe, dann bleibt davon N.s „Offenbarung" schwerlich
unberührt (vgl. auch M 62, KSA 3, 62 f.). In AC 55, KSA 6, 239 hatte N. eben erst
den Inspirationsbegriff als Instrument des priesterlichen Willens zur Macht
diskreditiert.
Mit 339, 9-21 knüpft N. an die Tradition des poeta vates an, des aus höherer
Erkenntnisquelle schöpfenden Seherdichters, den übermenschliche Einwir-
kung zum Schaffensakt befähigt. Die Vorstellung vom Dichter als Werkzeug
und Sprecher der Götter gehört schon seit Homer zum europäischen Dichter-
verständnis, aber erst Platons einschlägige Reflexionen (Ion 533e-534e, Phai-
dros 265a-b, 244a-245c) werden maßgeblich sowohl für die Beschreibung der
Inspirationserfahrung der Dichter als auch für die philosophische Kritik des
damit verbundenen Anspruchs. Die künstlerische Inspiration steht von Beginn
an mit der religiösen Inspiration in engem Verhältnis; ihr religiöser Ursprung
 
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