588 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
Kampf gegen Klingsor aufnehmen wollte, von Kundry verführt; Klingsor ent-
wand ihm die Lanze und fügte ihm eine nicht heilende Wunde zu. Parsifal
nun fühlt diese Wunde wie „seine eigene Sache" und erlöst Kundry sowie
Amfortas schließlich durch sein Mitleiden. „Im Parsifal ist das Leiden des
Erlösers selbst die erlösende Macht [...], indem Parsifal zur Erkenntniß des
Opferwunders Christi gelangt [...], den Todesspeer des Heilandes aus der
Gewalt der heidnischen Weltmacht wieder gewinnt und im ,wissenden Mitlei-
den' damit die ewig offene Wunde aus der Liebesschuld des verführten Grals-
königs heilt." (Tappert 1883, 86) Gegen die vermeintliche Tugend des Mitlei-
dens und gegen Wagners Opfer- und Erlösungstheologie polemisierte N. im
Spätwerk unentwegt. In 357, 4-12 invertierte er die Wagnerschen Motive und
nahm für seine gnadenlose Polemik in WA sogar in Anspruch, wie Parsifal
„mild" gewesen zu sein.
357, 9 die Flöte des Dionysos] Während Apollon in der antiken Mythologie mit
Kithara dargestellt wird, heißt die dem Dionysos zugeordnet Musik „Auletik":
Aulos, die Flöte, brachte nach griechischer Auffassung eine orientalisch-
rauschhafte Musik hervor, die zum orgiastischen Zug des Dionysos ertönte (vgl.
NK KSA 1, 25, 4-6 und Welcker 1851, 3, 128).
357, 13-15 ridendo dicere severum, wo das verum dicere jede Härte rechtferti-
gen würde] Vgl. NK KSA 6, 13, 3.
357, 16 als der alte Artillerist, der ich bin] N., der im Spätwerk die Kanonenme-
taphorik exzessiv ausbeutete, hatte 1867/68 als sogenannter Einjährig-Freiwilli-
ger in Naumburg bei der preußischen Artillerie Militärdienst geleistet. Auch
später unterstrich er in polemischen Zusammenhängen seine Artilleristen-Ver-
gangenheit, etwa wenn er am 28. 01. 1872 seinen Brief an Rohde unterzeichnete
als „Der reitende Artillerist, mit schwerstem Geschütz." (KSB 3, Nr. 192, S. 280,
Z. 41 f.).
357, 18 f. ich habe Wagner geliebt] Im Druckmanuskript an dieser Stelle: „ich
kann warten" (KSA 14, 501).
357, 22 Cagliostro der Musik] Vgl. NK KSA 6, 23, 4-7.
357, 23-358, 8 ein Angriff auf die in geistigen Dingen immer träger und instinkt-
ärmer, immer ehrlicher werdende deutsche Nation, die mit einem beneidens-
werthen Appetit fortfährt, sich von Gegensätzen zu nähren und „den Glauben"
so gut wie die Wissenschaftlichkeit, die „christliche Liebe" so gut wie den Antise-
mitismus, den Willen zur Macht (zum „Reich") so gut wie das evangile des hum-
bles ohne Verdauungsbeschwerden hinunterschluckt... Dieser Mangel an Partei
zwischen Gegensätzen! diese stomachische Neutralität und „Selbstlosigkeit"!
Dieser gerechte Sinn des deutschen Gaumens, der Allem gleiche Rechte
Kampf gegen Klingsor aufnehmen wollte, von Kundry verführt; Klingsor ent-
wand ihm die Lanze und fügte ihm eine nicht heilende Wunde zu. Parsifal
nun fühlt diese Wunde wie „seine eigene Sache" und erlöst Kundry sowie
Amfortas schließlich durch sein Mitleiden. „Im Parsifal ist das Leiden des
Erlösers selbst die erlösende Macht [...], indem Parsifal zur Erkenntniß des
Opferwunders Christi gelangt [...], den Todesspeer des Heilandes aus der
Gewalt der heidnischen Weltmacht wieder gewinnt und im ,wissenden Mitlei-
den' damit die ewig offene Wunde aus der Liebesschuld des verführten Grals-
königs heilt." (Tappert 1883, 86) Gegen die vermeintliche Tugend des Mitlei-
dens und gegen Wagners Opfer- und Erlösungstheologie polemisierte N. im
Spätwerk unentwegt. In 357, 4-12 invertierte er die Wagnerschen Motive und
nahm für seine gnadenlose Polemik in WA sogar in Anspruch, wie Parsifal
„mild" gewesen zu sein.
357, 9 die Flöte des Dionysos] Während Apollon in der antiken Mythologie mit
Kithara dargestellt wird, heißt die dem Dionysos zugeordnet Musik „Auletik":
Aulos, die Flöte, brachte nach griechischer Auffassung eine orientalisch-
rauschhafte Musik hervor, die zum orgiastischen Zug des Dionysos ertönte (vgl.
NK KSA 1, 25, 4-6 und Welcker 1851, 3, 128).
357, 13-15 ridendo dicere severum, wo das verum dicere jede Härte rechtferti-
gen würde] Vgl. NK KSA 6, 13, 3.
357, 16 als der alte Artillerist, der ich bin] N., der im Spätwerk die Kanonenme-
taphorik exzessiv ausbeutete, hatte 1867/68 als sogenannter Einjährig-Freiwilli-
ger in Naumburg bei der preußischen Artillerie Militärdienst geleistet. Auch
später unterstrich er in polemischen Zusammenhängen seine Artilleristen-Ver-
gangenheit, etwa wenn er am 28. 01. 1872 seinen Brief an Rohde unterzeichnete
als „Der reitende Artillerist, mit schwerstem Geschütz." (KSB 3, Nr. 192, S. 280,
Z. 41 f.).
357, 18 f. ich habe Wagner geliebt] Im Druckmanuskript an dieser Stelle: „ich
kann warten" (KSA 14, 501).
357, 22 Cagliostro der Musik] Vgl. NK KSA 6, 23, 4-7.
357, 23-358, 8 ein Angriff auf die in geistigen Dingen immer träger und instinkt-
ärmer, immer ehrlicher werdende deutsche Nation, die mit einem beneidens-
werthen Appetit fortfährt, sich von Gegensätzen zu nähren und „den Glauben"
so gut wie die Wissenschaftlichkeit, die „christliche Liebe" so gut wie den Antise-
mitismus, den Willen zur Macht (zum „Reich") so gut wie das evangile des hum-
bles ohne Verdauungsbeschwerden hinunterschluckt... Dieser Mangel an Partei
zwischen Gegensätzen! diese stomachische Neutralität und „Selbstlosigkeit"!
Dieser gerechte Sinn des deutschen Gaumens, der Allem gleiche Rechte