590 Ecce homo. Wie man wird, was man ist
deutsch, keines blossen Reichsdeutschen, des Meister Heinrich Schütz einen
Liszt-Verein gründete, mit dem Zweck der Pflege und Verbreitung listiger Kir-
chenmusik...] Am 8. Oktober 1885 wurde dort auf Betreiben des Pianisten und
Liszt-Schülers Martin Krause tatsächlich ein entsprechender Verein ins Leben
gerufen. Das Musikalische Wochenblatt vermeldete dazu am 15. Oktober 1885
(Jg. 16, Nr. 43, S. 526) in der Rubrik „Vermischte Mittheilungen und Notizen":
„In Leipzig wurde am 300jährigen Geburtstage von Heinrich Schütz ein Franz
Liszt-Verein gebildet. Dass gerade in Leipzig ein Verein, der den musikali-
schen Fortschritt auf seine Fahne geschrieben hat, ganz an der Zeit ist, beweist
der äusserst rege Beitritt zu dem Liszt-Verein." Fast den ganzen Oktober 1885
hatte N. in Leipzig verbracht, so dass — auch wenn seine Briefe hierzu schwei-
gen — er durchaus persönlich Zeuge der Vereinsgründung gewesen sein kann.
In WA Epilog, KSA 6, 51, 33 machte N. Liszt vielleicht auf dem Hintergrund der
in 358, 11-16 beschriebenen Erfahrung als „Kirchenvater" lächerlich.
358, 16 f. Ohne allen Zweifel, die Deutschen sind Idealisten...] Vgl. NK 358, 7 f.
2
Eine fragmentarische, von N. durchgestrichene Version dieses Abschnitts fin-
det sich auf der Rückseite von Blatt 35 des Druckmanuskripts: „[+ + +] sie der
Ruin der Musik, — sie selber wähnen, damit ,dem Ideal zu dienen'... Aber
das ist ihr altes Spiel. Seit vier Jahrhunderten haben sie alle großen Cultur-
Malheurs auf dem Gewissen und immer aus dem gleichen Grunde — aus ihrer
innerlichsten Feigheit vor der Realität, die auch die Feigheit vor der Wahr-
heit ist, aus der bei ihnen Instinkt gewordene[n] Unwahrhaftigkeit, aus Idea-
lismus'. — Die Deutschen haben Europa um die Ernte, um den Sinn der letz-
ten großen Zeit, der Renaissance-Zeit gebracht: in einem Augenblick, wo eine
höhere Ordnung der Werthe, wo die vornehmen, die zum Leben jasagenden,
die Zukunft-verbürgenden Werthe am Sitz der entgegengesetzten, der Nieder-
gangs-Werthe selbst zum Siege gelangt waren und bis in die Instinkte
der dort Sitzenden hinein, — hat dies Verhängniß von Mönch, Luther,
die Kirche und, was tausend Mal schlimmer ist, das Christenthum wiederherge-
stellt — das Christenthum, diese Religion gewordene Weltverleumdung und
Menschenschändung Verneinung des Willens zum Leben! — Und Ende des
neunzehnten Jahrhunderts feiert man in Deutschland noch Lutherfeste! — Die
Deutschen haben zwei Mal, als eben mit ungeheurer Selbstüberwindung und
Tapferkeit eine rechtschaffne, eine unzweideutige, eine vollkommen wissen-
schaftliche Denkweise erreicht war, Schleichwege zum alten ,Ideal', Versöh-
nungen zwischen Wahrheit und ,Ideal', im Grunde Formeln für ein Recht auf
deutsch, keines blossen Reichsdeutschen, des Meister Heinrich Schütz einen
Liszt-Verein gründete, mit dem Zweck der Pflege und Verbreitung listiger Kir-
chenmusik...] Am 8. Oktober 1885 wurde dort auf Betreiben des Pianisten und
Liszt-Schülers Martin Krause tatsächlich ein entsprechender Verein ins Leben
gerufen. Das Musikalische Wochenblatt vermeldete dazu am 15. Oktober 1885
(Jg. 16, Nr. 43, S. 526) in der Rubrik „Vermischte Mittheilungen und Notizen":
„In Leipzig wurde am 300jährigen Geburtstage von Heinrich Schütz ein Franz
Liszt-Verein gebildet. Dass gerade in Leipzig ein Verein, der den musikali-
schen Fortschritt auf seine Fahne geschrieben hat, ganz an der Zeit ist, beweist
der äusserst rege Beitritt zu dem Liszt-Verein." Fast den ganzen Oktober 1885
hatte N. in Leipzig verbracht, so dass — auch wenn seine Briefe hierzu schwei-
gen — er durchaus persönlich Zeuge der Vereinsgründung gewesen sein kann.
In WA Epilog, KSA 6, 51, 33 machte N. Liszt vielleicht auf dem Hintergrund der
in 358, 11-16 beschriebenen Erfahrung als „Kirchenvater" lächerlich.
358, 16 f. Ohne allen Zweifel, die Deutschen sind Idealisten...] Vgl. NK 358, 7 f.
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Eine fragmentarische, von N. durchgestrichene Version dieses Abschnitts fin-
det sich auf der Rückseite von Blatt 35 des Druckmanuskripts: „[+ + +] sie der
Ruin der Musik, — sie selber wähnen, damit ,dem Ideal zu dienen'... Aber
das ist ihr altes Spiel. Seit vier Jahrhunderten haben sie alle großen Cultur-
Malheurs auf dem Gewissen und immer aus dem gleichen Grunde — aus ihrer
innerlichsten Feigheit vor der Realität, die auch die Feigheit vor der Wahr-
heit ist, aus der bei ihnen Instinkt gewordene[n] Unwahrhaftigkeit, aus Idea-
lismus'. — Die Deutschen haben Europa um die Ernte, um den Sinn der letz-
ten großen Zeit, der Renaissance-Zeit gebracht: in einem Augenblick, wo eine
höhere Ordnung der Werthe, wo die vornehmen, die zum Leben jasagenden,
die Zukunft-verbürgenden Werthe am Sitz der entgegengesetzten, der Nieder-
gangs-Werthe selbst zum Siege gelangt waren und bis in die Instinkte
der dort Sitzenden hinein, — hat dies Verhängniß von Mönch, Luther,
die Kirche und, was tausend Mal schlimmer ist, das Christenthum wiederherge-
stellt — das Christenthum, diese Religion gewordene Weltverleumdung und
Menschenschändung Verneinung des Willens zum Leben! — Und Ende des
neunzehnten Jahrhunderts feiert man in Deutschland noch Lutherfeste! — Die
Deutschen haben zwei Mal, als eben mit ungeheurer Selbstüberwindung und
Tapferkeit eine rechtschaffne, eine unzweideutige, eine vollkommen wissen-
schaftliche Denkweise erreicht war, Schleichwege zum alten ,Ideal', Versöh-
nungen zwischen Wahrheit und ,Ideal', im Grunde Formeln für ein Recht auf