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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0628
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Stellenkommentar EH WA, KSA 6, S. 362 605

wenn selbst meine Freunde nicht zwischen mir und einem Lügner wie Richard
Wagner zu unterscheiden wissen? In einem extremen Falle tanzt man sogar
zwischen mir und der antisemitischen canaille auf dem Seile... Und dies in
einem Augenblick, wo eine unsägliche Verantwortlichkeit auf mir liegt, — wo
kein Wort zu zart, kein Blick ehrfurchtsvoll genug gegen mich sein kann. Denn
ich trage das Schicksal der Menschheit auf der Schulter. —" (KSA 14, 505 f.)
Darüber findet sich folgende spätere Bleistift-Notiz: „Vor einem deutschen
Buche wäscht man sich die Hände [-]" (KSA 14, 506).
362, 7-10 Mein Misstrauen gegen den deutschen Charakter habe ich schon
mit sechsundzwanzig Jahren ausgedrückt (dritte Unzeitgemässe S. 71)] Die fragli-
che Stelle, die in N.s Handexemplar mit einem Strich am rechten Rand mar-
kiert ist (Nietzsche 1874, 71), lautet: „Gewiss, wer unter Deutschen zu leben
hat, leidet sehr an der berüchtigten Grauheit ihres Lebens und ihrer Sinne, an
der Formlosigkeit, dem Stumpf- und Dumpfsinne, an der Plumpheit im zarte-
ren Verkehre, noch mehr an der Scheelsucht und einer gewissen Verstecktheit
und Unreinlichkeit des Charakters; es schmerzt und beleidigt ihn die eingewur-
zelte Lust am Falschen und Unächten, am Uebel-Nachgemachten, an der
Uebersetzung des guten Ausländischen in ein schlechtes Einheimisches"
(KSA 1, 392, 30-393, 4). NPB 422 gibt fälschlicherweise eine Markierung für
S. 72 an, wo eine solche fehlt; gemeint ist der Randstrich auf S. 71 von N.s
Handexemplar.
362, 12 f. worauf hin ich mir einen Menschen „nierenprüfe"] Die Metapher des
Nieren-Prüfens benutzte N. erstmals in UB II HL 5. Gemeint ist eine besonders
eingehende, unter die Haut bis in die Eingeweide reichende Untersuchung,
bezogen auf menschliche Wesen: „wenn sie Menschen sein sollten, so sind sie
es doch nur für den, ,der die Nieren prüft."' (KSA 1, 283, 7 f.) NL 1876/77, KSA 8,
23[109], 442, 4 kennt das „Seelenspalten und Nierenprüfen", MA II VM 35,
KSA 2, 397, 7 die „Nierenprüfer der Sittlichkeit" (vgl. FW 308, KSA 3,
545) und FW 335, KSA 3, 560 die „Nierenprüfer" der Selbstreflexion. Bei den
Bildungsbeflissenen der Gegenwart ist Zarathustra im Zweifel: „Und wenn man
auch Nierenprüfer ist: wer glaubt wohl noch, dass ihr Nieren habt! Aus Farben
scheint ihr gebacken und aus geleimten Zetteln." (Za II Vom Lande der Bil-
dung, KSA 4, 153, 25-27; die „Nierenprüfer" in NL 1887, KSA 12, 10[197], 574,
10-12 sind eine Fehllesung, siehe KGW IX 6, W II 2, 8, 14-18). Die Metapher
ist biblischen Ursprungs, nämlich eine Selbstbeschreibung Gottes. In Luthers
Fassung von 1545 lautet Jeremia 17, 10: „Jeh der HErr kan das Hertz ergründen /
vnd die Nieren prüfen." (Vgl. auch Psalm 7, 10).
362, 16 gentilhomme] Vgl. NK 350, 23-25.
 
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