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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0642
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Stellenkommentar EH Schicksal, KSA 6, S. 367-368 619

solchen Selbstüberwindung lesen. Zur Selbstüberwindung siehe auch NK 276,
2-6 und NK KSA 6, 11, 10-13.
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367, 27-368, 1 Im Grunde sind es zwei Verneinungen, die mein Wort Immora-
list in sich schliesst. Ich verneine einmal einen Typus Mensch, der bisher als
der höchste galt, die Guten, die Wohlwollenden, WohIthätigen; ich ver-
neine andrerseits eine Art Moral, welche als Moral an sich in Geltung und Herr-
schaft gekommen ist, — die decadence-Moral, handgreiflicher geredet, die
christliche Moral.] „Immoralisten" kommen bei N. von MA II WS 19, KSA 2,
553 an vor; der Begriff dient dann im Spätwerk der Selbstbeschreibung, vgl.
NK KSA 6, 65, 4-7. Der Ausdruck „Immoralismus" in pejorativem Sinn war zu
N.s Zeit längst Bestandteil des philosophischen Lexikonwissens, vgl. z. B. Krug
1838, 5/1, 83: „Man hat den Antimoralismus auch Immoralismus genannt,
indem man voraussetzte, daß ein System, welches der Sittlichkeit widerstreitet,
auch im Leben zur Unsittlichkeit führe." Auch die zugehörige Person wurde
bereits mit der bei N. gebrauchten Bezeichnung versehen: „Wer gar kein Sitten-
gesetz anerkennen will, heißt ein Antimoralist oder Immoralist, weil er
mit dem Sittengesetze auch die Sittlichkeit selbst aufheben würde, wenn dieß
überhaupt möglich wäre." (Krug 1828, 3, 686) Diesen negativen Begriff positi-
vierte N. in seiner Umwertungs-Umkehrlogik.
368, 6 f.: im Jasagen ist Verneinen und Vernichten Bedingung] Vgl. NK
KSA 6, 108, 20 f.
368, 10-16 Die Existenz-Bedingung der Guten ist die Lüge —: anders ausge-
drückt, das Nicht-sehn-wollen um jeden Preis, wie im Grunde die Realität
beschaffen ist, nämlich nicht der Art, um jeder Zeit wohlwollende Instinkte
herauszufordern, noch weniger der Art, um sich ein Eingreifen von kurzsichtigen
gutmüthigen Händen jeder Zeit gefallen zu lassen.] Das Nicht-sehen-Wollen
erscheint in AC 54 als Charakteristikum des auf „Überzeugungen", auf „Glau-
ben" angewiesenen, willensschwachen Menschen: „Der Mensch der Überzeu-
gung hat in ihr sein Rückgrat. Viele Dinge nicht sehn, in keinem Punkte
unbefangen sein, Partei sein durch und durch, eine strenge und nothwendige
Optik in allen Werthen haben — das allein bedingt es, dass eine solche Art
Mensch überhaupt besteht. Aber damit ist sie der Gegensatz, der Antagonist
des Wahrhaftigen, — der Wahrheit..." (KSA 6, 237, 4-10) In AC 55 ist die Defini-
tion der Lüge entsprechend bündig: „Ich nenne Lüge Etwas nicht sehn wol-
len, das man sieht, Etwas nicht so sehn wollen, wie man es sieht" (KSA 6,
 
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