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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0648
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Stellenkommentar EH Schicksal, KSA 6, S. 369-370 625

370, 22-27 diese Art Mensch, die er concipirt, concipirt die Realität, wie sie
ist: sie ist stark genug dazu —, sie ist ihr nicht entfremdet, entrückt, sie ist sie
selbst, sie hat all deren Furchtbares und Fragwürdiges auch noch in sich,
damit erst kann der Mensch Grösse haben...] Mit dieser anthropolo-
gischen Festlegung behauptet N. im Gewände Zarathustras nicht nur, die Wirk-
lichkeit als solche erkennen zu können (vgl. NK 368, 16-22), sondern leitet aus
dem (vorgeblichen) Sein auch ein Sollen ab: Aus einer (biologischen?) Realität
wird Normatives gefolgert, nämlich, dass der Mensch auch so sein soll, wie
er realiter ist. Die von N. ansonsten betriebene, virtuose Historisierung oder
Genealogisierung von Werturteilen, die zwecks Immunisierung als Wirklich-
keitsbefunde ausgegeben werden, wird auf das eigene Wirklichkeitsverständnis
nicht angewandt. Die hier propagierte Anthropologie wird beispielsweise in AC
1-3, KSA 6, 169 f. breiter entfaltet.
6-8
370, 28-374, 29 Die Abschnitte 22 und 23 der Oktober-Fassung von EH bil-
deten die Vorstufe zu den Abschnitten 6, 7 und 8 von Warum ich ein Schick-
sal bin (siehe auch KSA 14, 489). Diese Vorstufen-Fassung wird in KSA 14,
510-512 mitgeteilt mit der Begründung, sie biete mehr Varianten als die
Abschnitte 5 bis 7 des ersten Vorwortes, wo dieser Text zur Zeit der Zwischen-
stufe seinen Platz hatte. Abschnitt 21 der Oktober-Fassung ist eine Variante
zu EH M (vgl. NK 329, 4-11 sowie 330, 15-17). Die in KSA 14, 510-512 mitge-
teilte Version der Abschnitte 22 und 23 der Oktober-Fassung lautet: „22. / Dies
soll mich nicht hindern, hier diesen Schluß zu ziehn. Ich habe für mich das
Wort Immoralist erfunden, ich glaube damit eine Höhe, eine Weite des
Blicks, eine bisher vollkommen ungeheure psychologische Abgründlichkeit
bewiesen zu haben, daß ich die Moral als unter mir empfand. Wer ist vor
mir eingestiegen in die Höhlen, aus denen der giftige Dampf des ,Ideals'
heraufquillt! Wer hat auch nur zu ahnen gewagt, daß es Höhlen sind? Wer war
überhaupt vor mir unter den Philosophen Psycholog und nicht vielmehr
dessen Gegenstück, ,höherer Schwindler', ,Idealist'?... Es kann ein Fluch sein,
es ist jedenfalls ein Schicksal, hier der Erste zu sein — denn man verach-
tet hier auch als der Erste... Der Ekel ist meine Gefahr... Ich habe für
mich das Wort Immoralist erfunden. Es ist mir nicht zur Genüge gegenwär-
tig, ob irgend Jemand sich Etwas dabei gedacht hat. Dergleichen läuft in die
gedankenlosen Ohren meiner Zeitgenossen hinein — es läuft auch wieder
heraus. Ich hätte Lust, diese Ohren ein wenig anzunägeln, bis ihnen der
Schmerz deutlich macht, was ich will, — gehört werden... Was mich aus-
 
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