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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0658
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Stellenkommentar EH Schicksal, KSA 6, S. 373-374 635

und um die Gnade zu ringen. [...] [Dja aber diese Vorstellungen zu keiner grös-
seren Erkenntnissarbeit führen und also ohne Dogmatik bleiben, aus dem
Busskrampf sich auch keine das ganze Leben des Einzelnen und der Gesell-
schaft ruhig und vernünftig organisirende sittliche Thätigkeit entwickelt, so
bilden die erweckten Gefühle den Mittelpunkt und das Wesentliche dieser Reli-
gionsform." Ähnlich äußerte sich Theobald Ziegler im zweiten Band seiner
Geschichte der Ethik, einem Buch, dessen Titel N. sich in NL 1886/87, KSA 12,
5[1], 185 (KGW IX 3, N VII 3, 1, 33) notiert hat: „Im Gefühl der Rechtfertigung
nach geschehener Erweckung vergisst der Methodist die noch vorhandene
Sünde, das Bewusstsein derselben hat sich in jenem gewaltigen Busskrampf
gewissermassen erschöpft" (Ziegler 1886, 549).
374, 12-16 Der Begriff „Sünde" erfunden sammt dem zugehörigen Folter-Instru-
ment, dem Begriff „freier Wille", um die Instinkte zu verwirren, um das Miss-
trauen gegen die Instinkte zur zweiten Natur zu machen!] Das Thema behandelte
N. beispielsweise in GD Die vier grossen Irrthümer 6 u. 7, KSA 6, 94-96. Zu
ähnlichen Überlegungen im Blick auf die Spätantike bei Jacob Burckhardt siehe
NK KSA 6, 245, 34-246, 5.
374, 21-28 Endlich — es ist das Furchtbarste — im Begriff des guten Men-
schen die Partei alles Schwachen, Kranken, Missrathnen, An-sich-selber-Leiden-
den genommen, alles dessen, was zu Grunde gehn soll —, das Gesetz der
Selektion gekreuzt, ein Ideal aus dem Widerspruch gegen den stolzen und
wohlgerathenen, gegen den jasagenden, gegen den zukunftsgewissen, zukunft-
verbürgenden Menschen gemacht — dieser heisst nunmehr der Böse...] Vgl.
NK KSA 6, 173, 10-15.
374, 29 Ecrasez l'infäme!] Mit dieser berühmten Formel — „Vernichtet
die Schändliche" — schloss Voltaire viele seiner Briefe zwischen 1759 und 1768.
Gemeint war bei ihm die katholische Kirche. N. spielte auf die Wendung schon
in UB II HL 7, KSA 1, 296, 34 an und kontextualisierte sie neu in MA I 463,
KSA 2, 299, 26-30: „Nicht Voltaire's maassvolle, dem Ordnen, Reinigen und
Umbauen zugeneigte Natur, sondern Rousseau's leidenschaftliche Thorhei-
ten und Halblügen haben den optimistischen Geist der Revolution wachgeru-
fen, gegen den ich rufe: ,Ecrasez l'infame!"' Spötter fragen, ob N., der Voltaire
immerhin MA gewidmet hat (vgl. NK 322, 18-24), von diesem viel mehr als
diesen notorischen Spruch gekannt hat (vgl. auch Brobjer 2009). N. ist dem
Zitat schon vor einer allfälligen Lektüre von David Friedrich Strauß' Voltaire
(KGW III 5/2, S. 1461 gibt Strauß 1870, 272 f. als mögliche Quelle für N.s Zitat-
kenntnis an) begegnet, nämlich im zweiten, der französischen Literatur gewid-
meten Teil von Hermann Hettners Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhun-
derts. Dazu hatte N. 1863 Exzerpte angefertigt, die das „Ecrasez l'infäme"
 
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