642 Dionysos-Dithyramben
1888, 1 — „eine Biegsamkeit und einen Reichtum der Form und des sinnlichen
Raffinements, oder besser, um wie Milton zu reden, durch ,schamlose
Scham'"). Mendes habe es in Isoline verstanden, einem scheinbar züchtigen
Märchen aus dem Norden eine „volupte latine, ou plutöt lydienne ou phry-
gienne" beizumischen (ebd. — „eine lateinische oder vielmehr lydische oder
phrygische Wollust"). Zur Beglaubigung führt Lemaitre einige Versbeispiele aus
der Dichtung an. Unter dem Eindruck dieser Besprechung und in Erinnerung
an die gemeinsame festliche Wagner-Begeisterung rechnete N. Anfang 1889,
Mendes zu seinen „großen Satyrn und Festthiere[n]" (N. an Paul Deussen, 04.
01. 1889, KSB 8, Nr. 1246, S. 574, Z. 5).
Aus den unveröffentlichten dichterischen Entwürfen hatte N. seit dem
Sommer 1888 fünf Gedichte konstituiert: Zwischen Raubvögeln, Das Feuerzei-
chen, Die Sonne sinkt, Ruhm und Ewigkeit sowie Von der Armuth des Reichsten.
Zusammen mit dem schon 1883 entstandenen Gedicht Letzter Wille bezeich-
nete er sie in einer Vorstufe des Prologs zu Ecce homo als „die ersten 6 Lieder
Zarathustras" (NL 1888, KSA 13, 23[14], 613, 21 = KGW IX 9, W II 6, 6, 54). Er
dachte an eine Veröffentlichung unter dem Titel Lieder Zarathustras (vgl. den
Briefentwurf an einen unbekannten Empfänger, 27. 11. 1888, KSB 8, Nr. 1162,
S. 495). Vorübergehend wollte er mit zweien dieser Lieder (die er dann ans
Ende des schließlich Dionysos-Dithyramben genannten Ensembles stellte)
andere Texte abrunden: Ruhm und Ewigkeit sollte laut Entwurf eines Briefes
an Köselitz vom 30. 12. 1888 den Schluss von Ecce homo bilden (KSB 8, Nr. 1227,
S. 566, Z. 45-48), Von der Armuth des Reichsten den Schluss von Nietzsche
contra Wagner (Brief an Köselitz vom 16. 12. 1888, KSB 8, Nr. 1192, S. 527, Z.
38-42). Als er unmittelbar vor dem Zusammenbruch den Titel Dionysos-Dithy-
ramben wählte, entschied er sich aber für die Integration beider Gedichte in
diese Sammlung. Dort fanden sie nun abschließend ihren Platz, nachdem N.
von Constantin Georg Naumann am 02. 01. 1889 das „Manuscript der zwei
Schlußgedichte" telegraphisch zurückgefordert hatte (KSB 8, Nr. 1236. S. 571).
Zu den schon genannten sechs Gedichten nahm er noch drei weitere aus dem
damals nur privatim verfügbaren vierten Teil des Zarathustra hinzu: Mit dem
darin noch als Lied der Schwermuth bezeichneten Gedicht (KSA 4, 371-374)
eröffnete er unter dem neuen Titel Nur Narr! Nur Dichter! die Dionysos-Dithy-
ramben; das Kapitel Unter Töchtern der Wüste aus Za IV (KSA 4, 379-385) über-
nahm er mitsamt dem Text, der dem eigentlichen Gedicht vorangeht, und er
bewahrte auch den ursprünglichen Titel, hängte aber an den Satz „Die
Wüste wächst: weh Dem, der Wüsten birgt!" noch weitere Verse an;
die Klage der Ariadne schließlich stammt aus Za IV Der Zauberer (KSA 4, 313-
317), wo allerdings nicht Ariadne, sondern der vom Zauberer betrügerisch
gespielte „Büsser des Geistes" seine Klagen vorbringt. Und anders als im Zara-
1888, 1 — „eine Biegsamkeit und einen Reichtum der Form und des sinnlichen
Raffinements, oder besser, um wie Milton zu reden, durch ,schamlose
Scham'"). Mendes habe es in Isoline verstanden, einem scheinbar züchtigen
Märchen aus dem Norden eine „volupte latine, ou plutöt lydienne ou phry-
gienne" beizumischen (ebd. — „eine lateinische oder vielmehr lydische oder
phrygische Wollust"). Zur Beglaubigung führt Lemaitre einige Versbeispiele aus
der Dichtung an. Unter dem Eindruck dieser Besprechung und in Erinnerung
an die gemeinsame festliche Wagner-Begeisterung rechnete N. Anfang 1889,
Mendes zu seinen „großen Satyrn und Festthiere[n]" (N. an Paul Deussen, 04.
01. 1889, KSB 8, Nr. 1246, S. 574, Z. 5).
Aus den unveröffentlichten dichterischen Entwürfen hatte N. seit dem
Sommer 1888 fünf Gedichte konstituiert: Zwischen Raubvögeln, Das Feuerzei-
chen, Die Sonne sinkt, Ruhm und Ewigkeit sowie Von der Armuth des Reichsten.
Zusammen mit dem schon 1883 entstandenen Gedicht Letzter Wille bezeich-
nete er sie in einer Vorstufe des Prologs zu Ecce homo als „die ersten 6 Lieder
Zarathustras" (NL 1888, KSA 13, 23[14], 613, 21 = KGW IX 9, W II 6, 6, 54). Er
dachte an eine Veröffentlichung unter dem Titel Lieder Zarathustras (vgl. den
Briefentwurf an einen unbekannten Empfänger, 27. 11. 1888, KSB 8, Nr. 1162,
S. 495). Vorübergehend wollte er mit zweien dieser Lieder (die er dann ans
Ende des schließlich Dionysos-Dithyramben genannten Ensembles stellte)
andere Texte abrunden: Ruhm und Ewigkeit sollte laut Entwurf eines Briefes
an Köselitz vom 30. 12. 1888 den Schluss von Ecce homo bilden (KSB 8, Nr. 1227,
S. 566, Z. 45-48), Von der Armuth des Reichsten den Schluss von Nietzsche
contra Wagner (Brief an Köselitz vom 16. 12. 1888, KSB 8, Nr. 1192, S. 527, Z.
38-42). Als er unmittelbar vor dem Zusammenbruch den Titel Dionysos-Dithy-
ramben wählte, entschied er sich aber für die Integration beider Gedichte in
diese Sammlung. Dort fanden sie nun abschließend ihren Platz, nachdem N.
von Constantin Georg Naumann am 02. 01. 1889 das „Manuscript der zwei
Schlußgedichte" telegraphisch zurückgefordert hatte (KSB 8, Nr. 1236. S. 571).
Zu den schon genannten sechs Gedichten nahm er noch drei weitere aus dem
damals nur privatim verfügbaren vierten Teil des Zarathustra hinzu: Mit dem
darin noch als Lied der Schwermuth bezeichneten Gedicht (KSA 4, 371-374)
eröffnete er unter dem neuen Titel Nur Narr! Nur Dichter! die Dionysos-Dithy-
ramben; das Kapitel Unter Töchtern der Wüste aus Za IV (KSA 4, 379-385) über-
nahm er mitsamt dem Text, der dem eigentlichen Gedicht vorangeht, und er
bewahrte auch den ursprünglichen Titel, hängte aber an den Satz „Die
Wüste wächst: weh Dem, der Wüsten birgt!" noch weitere Verse an;
die Klage der Ariadne schließlich stammt aus Za IV Der Zauberer (KSA 4, 313-
317), wo allerdings nicht Ariadne, sondern der vom Zauberer betrügerisch
gespielte „Büsser des Geistes" seine Klagen vorbringt. Und anders als im Zara-