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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0691
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668 Dionysos-Dithyramben

fangen: er nahm flugs dem Zauberer die Harfe weg und rief ,Luft! Lasst gute
Luft herein! Lass Zarathustra herein! Du machst diese Höhle schwül und giftig,
du schlimmer alter Zauberer! / Du verführst, du Falscher, Feiner, zu unbekann-
ten Begierden und Wildnissen. [...] / — du alter schwermüthiger Teufel, aus
deiner Klage klingt eine Lockpfeife, du gleichst Solchen, welche mit ihrem
Lobe der Keuschheit [siehe Parsifal, A. U. S.] heimlich zu Wollüsten laden!"
(Za Von der Wissenschaft, KSA 4, 375, 2-17).
Zur Interpretation des Dithyrambus Unter Töchtern der Wüste siehe z. B.
Miller 1973a u. Volkmann-Schluck 1968, 115-150.
381, 3 f. „Gehe nicht davon! sagte da der Wanderer, der sich den Schatten Zara-
thustras nannte] Im zweiten Teil des Zarathustra heißt es: „Was soll ich davon
denken! sagte Zarathustra. Bin ich denn ein Gespenst? / Aber es wird mein
Schatten gewesen sein. Ihr hörtet wohl schon Einiges vom Wanderer und sei-
nem Schatten?" (KSA 4, 171, 1-4) Damit weist Zarathustra-N. zurück auf den
„zweiten und letzten Nachtrag" zu Menschliches, Allzumenschliches (1880), der
unter der Überschrift Der Wanderer und sein Schatten steht. Adressiert ist die
Aufforderung, nicht zu gehen, in Za IV Unter Töchtern der Wüste, KSA 4, 379,
2 an Zarathustra, der „hinaus schlüpfen" wollte (Za IV Von der Wissenschaft,
KSA 4, 378, 15). Die Übernahme des gesamten Kapitels in DD macht diesen
Bezug unklar.
381, 7 der gute fromme Papst] Vgl. Za IV Äusser Dienst, KSA 4, 321-326.
381, 13-15 das böse Spiel der ziehenden Wolken, der feuchten Schwermuth, der
verhängten Himmel, der gestohlenen Sonnen, der heulenden Herbstwinde] In FW
125 beschreibt der „tolle Mensch" die Ermordung Gottes durch die Menschen
u. a. mit der Metapher: „Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne
losketteten?" (KSA 3, 481, 5) Der Tod Gottes führt zu einer radikalen Verunsi-
cherung, denn die Welt hat ihr Zentrum verloren. Die in 381, 13-15 artikulierte
Furcht, „das böse Spiel" werde wiederkehren, wenn Zarathustra — an den die
Rede ja eigentlich gerichtet ist — fortginge, spielt mit den „gestohlenen Son-
nen" auf die metaphysischen Ängste an, die bleiben, solange die vom Tod
Gottes Betroffenen ihre Moral nicht vollständig umwerten. Zarathustra
scheint — so die Ansicht des „Wanderers" und „Schattens Zarathustras", der
hier spricht - die Gewähr dafür zu bieten, dass die Phantomschmerzen über
den Verlust des alten, theozentrischen Weltbildes nicht wiederkehren.
382, 24 Die Wüste wächst] In Za II Von den berühmten Weisen heißt
es: „Wahrhaftig — so heisse ich Den, der in götterlose Wüsten geht und sein
verehrendes Herz zerbrochen hat. [...] In der Wüste wohnten von je die Wahr-
haftigen, die freien Geister, als der Wüste Herren" (KSA 4, 133, 7-20). Auch für
 
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