690 Dionysos-Dithyramben
mein non plus ultra an die Druckerei geschickt, Ruhm und Ewigkeit beti-
telt, jenseits aller sieben Himmel gedichtet. Es macht den Schluß von Ecce
homo. — Man stirbt daran, wenn man's unvorbereitet liest..." (KSB 8, Nr. 1227,
S. 566, Z. 45-48).
Aus dem Gedicht ergibt sich, dass der Titel nicht den „Ruhm" als Mittel
zur Erlangung von „Ewigkeit" versteht, vielmehr einen Gegensatz meint: Der
„Ruhm" wird als fragwürdig („Ruhm-Geklapper" — 403, 28) und daher als
vergänglich verstanden; erst der „Ewigkeit" kommt die Qualität prinzipieller
Zeitüberwindung zu. Die vier durch Ziffern markierten Teile dieses Dithyram-
bus bestehen aus zwei konträren Hauptpartien: aus einer negativ und einer
positiv perspektivierten Partie. Die erste steht unter einem negativen Vorzei-
chen. Wie der oft mit sich allein redende Zarathustra eröffnet das Ich, das sich
mehrmals als „Zarathustra" bezeichnet, schon mit seinen ersten Worten eine
Selbstansprache, in der es sich melancholisch über sein „Missgeschick" (402,
4) auslässt. Wie die Titelformulierung anzeigt und der 2. Teil dieser ersten
Hauptpartie vollends erkennen lässt, ist das Missgeschick die fehlende Aner-
kennung: der ausbleibende „Ruhm". Im Vorwort zu der ungefähr gleichzeitig
entstandenen Autogenealogie Ecce homo formuliert N. so: „Das Missverhältniss
aber zwischen der Grösse meiner Aufgabe und der Kleinheit meiner Zeitge-
nossen ist darin zum Ausdruck gekommen, dass man mich weder gehört, noch
auch nur gesehn hat. Ich lebe auf meinen eignen Credit hin, es ist vielleicht
bloss ein Vorurtheil, daß ich lebe?..." (EH Vorwort, KSA 6, 257, 7-11) Auch in
den späten Briefen an den Freund Franz Overbeck gibt N. seinem Leiden an der
fehlenden Wahrnehmung seiner Werke und der ausbleibenden Anerkennung
Ausdruck (vgl. die in NK 400, 24-401, 2 angeführte Briefstelle). Das Brüten
über dem Missgeschick gleicht aber alsbald dem Ausbrüten eines unheilvollen
„Basilisken-Ei[s]" (402, 7). In der Mitte des Eröffnungsteils ereignet sich die
Peripetie: das Leiden am Missgeschick geht in „Hass" und „Zorn" und schließ-
lich in einen „Fluch" über (402, 17-19). Diese affektive Entladung vergleicht das
Ich einem „Blitz", der alles erschüttert: Die letzte Zeile des Eröffnungsteils —
„Zarathustra flucht" (403, 6) — leitet zum 2. Teil über, der den Fluch näher
bestimmt: als Abrechnung mit den traditionellen, immer noch gängigen Moral-
vorstellungen, mit der „Tugend"-Schriftstellerei, für welche die Zeitgenossen
mit Anerkennung und „Ruhm" bezahlen: „So lange die Welt lebt, / zahlt sie
Tugend-Geplapper / mit Ruhm-Geklapper" (403, 26-28). Ringkompositorisch
umschließt die Absage an solchen „Ruhm" diesen Teil.
Die zweite Hauptpartie markiert mit dem ersten Wort und dem Pausie-
rungszeichen („Still! —") einen Hiat. Sie wendet sich von der negativen,
schließlich zu Hass, Zorn und Fluch sich radikalisierenden Ablehnung der
„Welt" und nach der Absage an verächtlichen „Ruhm" zu einer positiven Ein-
mein non plus ultra an die Druckerei geschickt, Ruhm und Ewigkeit beti-
telt, jenseits aller sieben Himmel gedichtet. Es macht den Schluß von Ecce
homo. — Man stirbt daran, wenn man's unvorbereitet liest..." (KSB 8, Nr. 1227,
S. 566, Z. 45-48).
Aus dem Gedicht ergibt sich, dass der Titel nicht den „Ruhm" als Mittel
zur Erlangung von „Ewigkeit" versteht, vielmehr einen Gegensatz meint: Der
„Ruhm" wird als fragwürdig („Ruhm-Geklapper" — 403, 28) und daher als
vergänglich verstanden; erst der „Ewigkeit" kommt die Qualität prinzipieller
Zeitüberwindung zu. Die vier durch Ziffern markierten Teile dieses Dithyram-
bus bestehen aus zwei konträren Hauptpartien: aus einer negativ und einer
positiv perspektivierten Partie. Die erste steht unter einem negativen Vorzei-
chen. Wie der oft mit sich allein redende Zarathustra eröffnet das Ich, das sich
mehrmals als „Zarathustra" bezeichnet, schon mit seinen ersten Worten eine
Selbstansprache, in der es sich melancholisch über sein „Missgeschick" (402,
4) auslässt. Wie die Titelformulierung anzeigt und der 2. Teil dieser ersten
Hauptpartie vollends erkennen lässt, ist das Missgeschick die fehlende Aner-
kennung: der ausbleibende „Ruhm". Im Vorwort zu der ungefähr gleichzeitig
entstandenen Autogenealogie Ecce homo formuliert N. so: „Das Missverhältniss
aber zwischen der Grösse meiner Aufgabe und der Kleinheit meiner Zeitge-
nossen ist darin zum Ausdruck gekommen, dass man mich weder gehört, noch
auch nur gesehn hat. Ich lebe auf meinen eignen Credit hin, es ist vielleicht
bloss ein Vorurtheil, daß ich lebe?..." (EH Vorwort, KSA 6, 257, 7-11) Auch in
den späten Briefen an den Freund Franz Overbeck gibt N. seinem Leiden an der
fehlenden Wahrnehmung seiner Werke und der ausbleibenden Anerkennung
Ausdruck (vgl. die in NK 400, 24-401, 2 angeführte Briefstelle). Das Brüten
über dem Missgeschick gleicht aber alsbald dem Ausbrüten eines unheilvollen
„Basilisken-Ei[s]" (402, 7). In der Mitte des Eröffnungsteils ereignet sich die
Peripetie: das Leiden am Missgeschick geht in „Hass" und „Zorn" und schließ-
lich in einen „Fluch" über (402, 17-19). Diese affektive Entladung vergleicht das
Ich einem „Blitz", der alles erschüttert: Die letzte Zeile des Eröffnungsteils —
„Zarathustra flucht" (403, 6) — leitet zum 2. Teil über, der den Fluch näher
bestimmt: als Abrechnung mit den traditionellen, immer noch gängigen Moral-
vorstellungen, mit der „Tugend"-Schriftstellerei, für welche die Zeitgenossen
mit Anerkennung und „Ruhm" bezahlen: „So lange die Welt lebt, / zahlt sie
Tugend-Geplapper / mit Ruhm-Geklapper" (403, 26-28). Ringkompositorisch
umschließt die Absage an solchen „Ruhm" diesen Teil.
Die zweite Hauptpartie markiert mit dem ersten Wort und dem Pausie-
rungszeichen („Still! —") einen Hiat. Sie wendet sich von der negativen,
schließlich zu Hass, Zorn und Fluch sich radikalisierenden Ablehnung der
„Welt" und nach der Absage an verächtlichen „Ruhm" zu einer positiven Ein-