Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0747
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
724 Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines Psychologen

krankhaften Gesamtzustandes. Damit weitet sich die scheinbar persönliche
Problematik „Nietzsche contra Wagner" aus zu einem abstrakten Grundkon-
flikt, den die Figur Wagners nur beispielhaft illustriert.
418, 23 Ästhetik ist ja nichts als eine angewandte Physiologie. —] Dieser Satz
fehlt in der Vorlage und artikuliert das in den Schriften von 1888 durchgeführte
Programm einer physiologischen Betrachtungsweise ästhetischer Phänomene.
Exemplarisch unternimmt N. eine physiologische Erdung des Schönen und
Hässlichen in GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 19-20, KSA 6, 123 f. So heißt
es im Anschluss an Fere 1887, man könne „die Wirkung des Hässlichen mit
dem Dynamometer messen" (GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 20, KSA 6,
124, 11 f.). Physiologisch betrachtet, schwäche das Hässliche, führt N. dort nach
Fere 1887, 64 (Nachweis in NK KSA 6, 124, 9 f.) weiter aus. Daraus folgt in der
Polemik, dass die hässliche Musik (Wagners) nicht nur ein ästhetisches, son-
dern ein physiologisches Problem ist, das einerseits zu einer Schwächung des
Publikums führt, andererseits aber schon Ausfluss der Schwäche des Kompo-
nisten ist. Wagners Leiden und damit Schwäche hat N. an zwei die FW-Vorlage
verändernden Stellen in NW Wo ich bewundere (418, 4 u. 15 f.) wenige Zeilen
vorher hervorgehoben.
418, 24 mein „petit fait vrai" ist] Dieser Einschub über die „kleine wahre Tatsa-
che" fehlt in der Vorlage. N. hat die Wendung bei der Lektüre von Emile
Faguets Werk zu den französischen Autoren des 17. Jahrhunderts finden kön-
nen, wo es über La Bruyeres Caracteres heißt: „Voltaire fait remarquer que les
Caracteres ont baisse dans l'estime des hommes ,quand une generation entiere
attaquee dans l'ouvrage fut passee', mais qu'ils ne seront pourtant jamais
oublies, ,parce qu'il y a des choses de tous les temps et de tous les lieux'. C'est
jusqu'ä un certain point, au contraire par les menus details significatifs que
ce livre plait aux generations dont nous sommes, tres curieuses du petit fait
vrai, caracteristique d'une epoque, et pittoresque." (Faguet o. J., 490 = Faguet
1888, 431. „Voltaire hat festgestellt, dass die Caracteres in der Wertschätzung
der Menschen abgenommen haben, ,als die gesamte Generation, die in dem
Werk angegriffen wurde, vorbei war', aber dass sie dennoch nie vergessen sein
würden, ,weil es überzeitliche und überörtliche Dinge darin gibt'. Im Gegenteil,
bis zu einem gewissen Punkt gefällt dieses Buch durch die kleinen, bedeutsa-
men Details Generationen wie unserer, die sehr neugierig sind auf die kleine
wahre Tatsache, die charakteristisch für eine Epoche und pittoresk ist.")
418, 27 f. — nach Wagner's Kaisermarsch kann nicht einmal der junge deutsche
Kaiser marschiren —] Der Einschub fehlt in der Vorlage. Wagner komponierte
den Kaiser-Marsch („Heil! Heil dem Kaiser, König Wilhelm", Wagner-Werkver-
zeichnis Nr. 104) in B-Dur und Allegro maestoso 1871 für Chor und Orchester
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften