736 Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines Psychologen
das Misstrauen gegenüber dem Hochrelief ebenfalls metaphorisch um: „Man
soll sich hüten, den Werth eines M(enschen) nach einer einzelnen That zu
behandeln. Davor hat Nap(oleon) gewarnt. Namentlich sind die Hautrelief-Tha-
ten ganz besonders insignificant." Vgl. auch NK 423, 5-9.
422, 32-423, 5 Ist dies zum Beispiel, auf Mozart angewendet, nicht die eigentli-
che Sünde wider den Geist Mozart's, den heiteren, schwärmerischen, zärtlichen,
verliebten Geist Mozart's, der zum Glück kein Deutscher war und dessen Ernst
ein gütiger, ein goldener Ernst ist und nicht der Ernst eines deutschen Bieder-
manns...] MA II WS 165, KSA 2, 620, 17-21: „Ist diess zum Beispiel auf Mozart
angewendet, nicht ganz eigentlich eine Sünde wider den Geist, den heiteren,
sonnigen, zärtlichen, leichtsinnigen Geist Mozart's, dessen Ernst ein gütiger
und nicht ein furchtbarer Ernst ist". N. baut in NW eine Invektive gegen die
Deutschen ein, die in MA II WS 165 noch ganz fehlte, aber die antideutsche
Tendenz der Schriften von 1888 unterstreicht. In EH Warum ich so klug bin 7,
KSA 6, 290, 29 f. wird proklamiert. „Ich werde nie zulassen, dass ein Deutscher
wissen könne, was Musik ist." Entsprechend gelten alle echten deutschen
Musiker als Nicht-Deutsche, vgl. NK KSA 6, 290, 30-32 — wobei Mozart in EH
Warum ich so klug bin 7 nicht genannt wird, so häufig N.s freundliche Reveren-
zen ihm gegenüber sonst auch sind („Mozart's Anmuth und Grazie des Her-
zens" - MA II VM 298, KSA 2, 501, 4 f.).
423, 5-9 Geschweige denn der Ernst des „steinernen Gastes"... Aber ihr meint,
alle Musik sei Musik des „steinernen Gastes", — alle Musik müsse aus der
Wand hervorspringen und den Hörer bis in seine Gedärme hinein schütteln?...]
MA II WS 165, KSA 2, 620, 21-25: „,dessen Bilder nicht aus der Wand heraus-
springen wollen, um die Anschauenden in Entsetzen und Flucht zu jagen. Oder
meint ihr, Mozartische Musik sei gleichbedeutend mit ,Musik des steinernen
Gastes'? Und nicht nur Mozartische, sondern alle Musik?" Auffällig ist in der
Version von NW die Physiologisierung der Wirkung von (schlechter) Musik, die
direkt die „Gedärme" affiziere, während MA II WS 165 mit „Entsetzen und
Flucht" noch ironisch auf Mitleid und Entsetzen/Furcht als die von Aristoteles
benannten Affekte anzuspielen scheint, von denen die Tragödie reinigen solle.
In GD Vorwort, KSA 6, 57, 23, sind es „geblähte[.] Eingeweide[.]", mit denen es
der mit dem „Hammer" Fragen stellende Philosoph zu tun hat — die gastrische
Metaphorik entspricht N.s Physiologisierungstendenz im Spätwerk.
Im zweiten Akt von Mozarts Oper Don Giovanni (1787) erwacht die steinerne
Grabmalstatue des von Don Giovanni erstochenen Komturs zum Leben, nach-
dem ihn dieser übermütig zum Essen eingeladen hat. Der Komtur erscheint als
steinerner Gast, fordert Don Giovanni zur Reue auf und fährt mit dem Reueun-
willigen schließlich zur Hölle. N. hatte bereits im Vortrag Das griechische
das Misstrauen gegenüber dem Hochrelief ebenfalls metaphorisch um: „Man
soll sich hüten, den Werth eines M(enschen) nach einer einzelnen That zu
behandeln. Davor hat Nap(oleon) gewarnt. Namentlich sind die Hautrelief-Tha-
ten ganz besonders insignificant." Vgl. auch NK 423, 5-9.
422, 32-423, 5 Ist dies zum Beispiel, auf Mozart angewendet, nicht die eigentli-
che Sünde wider den Geist Mozart's, den heiteren, schwärmerischen, zärtlichen,
verliebten Geist Mozart's, der zum Glück kein Deutscher war und dessen Ernst
ein gütiger, ein goldener Ernst ist und nicht der Ernst eines deutschen Bieder-
manns...] MA II WS 165, KSA 2, 620, 17-21: „Ist diess zum Beispiel auf Mozart
angewendet, nicht ganz eigentlich eine Sünde wider den Geist, den heiteren,
sonnigen, zärtlichen, leichtsinnigen Geist Mozart's, dessen Ernst ein gütiger
und nicht ein furchtbarer Ernst ist". N. baut in NW eine Invektive gegen die
Deutschen ein, die in MA II WS 165 noch ganz fehlte, aber die antideutsche
Tendenz der Schriften von 1888 unterstreicht. In EH Warum ich so klug bin 7,
KSA 6, 290, 29 f. wird proklamiert. „Ich werde nie zulassen, dass ein Deutscher
wissen könne, was Musik ist." Entsprechend gelten alle echten deutschen
Musiker als Nicht-Deutsche, vgl. NK KSA 6, 290, 30-32 — wobei Mozart in EH
Warum ich so klug bin 7 nicht genannt wird, so häufig N.s freundliche Reveren-
zen ihm gegenüber sonst auch sind („Mozart's Anmuth und Grazie des Her-
zens" - MA II VM 298, KSA 2, 501, 4 f.).
423, 5-9 Geschweige denn der Ernst des „steinernen Gastes"... Aber ihr meint,
alle Musik sei Musik des „steinernen Gastes", — alle Musik müsse aus der
Wand hervorspringen und den Hörer bis in seine Gedärme hinein schütteln?...]
MA II WS 165, KSA 2, 620, 21-25: „,dessen Bilder nicht aus der Wand heraus-
springen wollen, um die Anschauenden in Entsetzen und Flucht zu jagen. Oder
meint ihr, Mozartische Musik sei gleichbedeutend mit ,Musik des steinernen
Gastes'? Und nicht nur Mozartische, sondern alle Musik?" Auffällig ist in der
Version von NW die Physiologisierung der Wirkung von (schlechter) Musik, die
direkt die „Gedärme" affiziere, während MA II WS 165 mit „Entsetzen und
Flucht" noch ironisch auf Mitleid und Entsetzen/Furcht als die von Aristoteles
benannten Affekte anzuspielen scheint, von denen die Tragödie reinigen solle.
In GD Vorwort, KSA 6, 57, 23, sind es „geblähte[.] Eingeweide[.]", mit denen es
der mit dem „Hammer" Fragen stellende Philosoph zu tun hat — die gastrische
Metaphorik entspricht N.s Physiologisierungstendenz im Spätwerk.
Im zweiten Akt von Mozarts Oper Don Giovanni (1787) erwacht die steinerne
Grabmalstatue des von Don Giovanni erstochenen Komturs zum Leben, nach-
dem ihn dieser übermütig zum Essen eingeladen hat. Der Komtur erscheint als
steinerner Gast, fordert Don Giovanni zur Reue auf und fährt mit dem Reueun-
willigen schließlich zur Hölle. N. hatte bereits im Vortrag Das griechische