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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0784
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Stellenkommentar NW Wohin, KSA 6, S. 427-428 761

mentateurs pour comprendre, pour prier Zeus et Aphrodita, lakkhos et Apol-
lon. Et comment ne croirait-il pas ä la verite de ces Dieux, puisqu'ils correspon-
dent intimement ä un desir si mutile, mais si indestructible, de l'äme moderne,
celui de contempler le travail de la vie sous une forme de Beaute?" (Bourget
1886, 109; Kursiviertes von N. unterstrichen, Strich am Seitenrand. „Dies ist
das tiefe Gefühl der Harmonie, das die griechische Seele erhoben hat zu einer
Theologie eines glücklichen Naturalismus. Die Götter defilieren auf leuchten-
den Stränden, jung und vornehm wie zu Zeiten Homers: Der Dichter hat keine
Bücher von Kommentatoren nötig, um zu verstehen, um Zeus und Aphrodite,
lakchos und Apollon anzubeten. Und wie sollte er nicht an die Wahrheit dieser
Götter glauben, da sie so innigst übereinstimmen mit einem so beschädigten,
aber dennoch so unverwüstlichen Bedürfnis der modernen Seele, dem Bedürfnis,
die Arbeit des Lebens unter der Form der Schönheit zu betrachten?") Ein weite-
rer Bezug auf l'äme moderne führt bei Bourget ins Zentrum der N. interessieren-
den decadence-Problematik, wenn es zu den Brüdern Goncourt heißt: „Ils ont
vise un but, ils en ont touche un autre. Ils se proposaient d'etre des historiens
des moeurs, des collectionneurs de documents, et il se trouve qu'ils ont repre-
sente, en quelques-uns de ses traits essentiels, leur äme et par suite celle de
leur epoque, cette inquiete, cette enigmatique äme moderne, oü il semble que
toute superiorite fasse plaie, toute complication douleur, toute richesse misere
et pauvrete. Cet affaiblissement de la volonte, habituel objet de l'etude des
freres de Goncourt, c'est vraiment la maladie du siecle. On employait ce terme,
il y a cinquante ans; on a parle ensuite de grande nevrose; on parle
aujourd'hui de pessimisme et de nihilisme." (Bourget 1886, 173; Kursiviertes
von N. unterstrichen. „Sie haben ein Ziel anvisiert, doch sie haben ein anderes
getroffen. Sie nahmen sich vor, Historiker der Sitten, Sammler von Dokumenten
zu sein, und es stellte sich heraus, dass sie in einigen wesentlichen Zügen ihre
Seele und in der Folge die Seele ihrer Epoche dargestellt haben, diese unru-
hige, diese rätselhafte moderne Seele, bei der es scheint, dass jede Überlegen-
heit eine Wunde schlage, jede Komplikation Schmerz auslöse, jeder Reichtum
Elend und Armut provoziere. Diese Abschwächung des Willens, übliches Objekt
der Studien der Brüder Goncourt, ist tatsächlich die Krankheit des Jahrhun-
derts. Man verwendete diesen Begriff vor 50 Jahren; danach sprach man von
der großen Neurose; heute spricht man von Pessimismus und Nihilismus.")
Zum Begriff der „modernen Seele" siehe auch NK KSA 6, 12, 23 f.
428, 3 wagnerisiren] In einem Entwurf zu „Neue[n] unzeitgemäße[n]
Betrachtungen" taucht Wagner in NL 1884, KSA 11, 41[2]5, 672, 18-22 (kor-
rigiert nach KGW IX 4, W I 5, 36, 32-40) erstmals in verbalisierter Form auf:
„Noch zur rechten Zeit lernten wir Nein! sagen: jeder rechtschaffene und tiefe
Musiker sagt heute Nein zu Wagner und zu sich selber, so weit er noch ,wagne-
 
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