Stellenkommentar NW Apostel, KSA 6, S. 429 769
sogar einen Lebensreiz mehr gesehn. Solche ,Widersprüche'". Der persische
Dichter Hafis (eigentlich Chadsche Schams al-Din Mohammad Hafese Schirazi,
ca. 1319-1389) errang mit seinem 1812/13 von Joseph von Hammer-Purgstall
übersetzten Diwan sowie dessen Adaption in Goethes West-östlichen Divan in
Deutschland breite Aufmerksamkeit als Projektionsfigur sinnenfreudiger Ori-
entphantasien.
429, 28-430, 5 Andrerseits versteht es sich nur zu gut, dass, wenn einmal die
verunglückten Thiere der Circe dazu gebracht werden, die Keuschheit anzubeten,
sie in ihr nur ihren Gegensatz sehn und anbeten werden — oh mit was für
einem tragischen Gegrunz und Eifer! man kann es sich denken — jenen peinli-
chen und vollkommen überflüssigen Gegensatz, den Richard Wagner unbestreit-
bar am Ende seines Lebens noch hat in Musik setzen und auf die Bühne bringen
wollen. Wozu doch? wie man billig fragen darf.] GM III 2, KSA 5, 341, 11-21:
„Andrerseits versteht es sich nur zu gut, dass wenn einmal die verunglückten
Schweine dazu gebracht werden, die Keuschheit anzubeten — und es giebt
solche Schweine! — sie in ihr nur ihren Gegensatz, den Gegensatz zum verun-
glückten Schweine sehn und anbeten werden — oh mit was für einem tragi-
schen Gegrunz und Eifer! man kann es sich denken — jenen peinlichen und
überflüssigen Gegensatz, den Richard Wagner unbestreitbar am Ende seines
Lebens noch hat in Musik setzen und auf die Bühne stellen wollen. Wozu
doch? wie man billig fragen darf. Denn was giengen ihn, was gehen uns die
Schweine an?"
Der odysseische Assoziationshorizont der Circe wird erst in NW eröffnet;
um welche Art von Tieren es sich handelt, wird nun vornehm verschwiegen,
vgl. NK KSA 6, 305, 21 f. Es ist ein traditioneller Vorwurf an die Adresse von
Hedonisten und Utilitaristen, sie verstünden die Menschen als Schweine und
würden ihnen deswegen ein Schweine-Glück wünschen. Dagegen hat sich bei-
spielsweise John Stuart Mill in Utilitarianism verwahrt. In der N. vorliegenden
Ausgabe (Das Nützlichkeits-Princip) lautet der Passus: „Die Unterstellung, daß
das Leben (wie sie [sc. „viele Menschen"] sich ausdrücken) keinen höhern
Endzweck habe als das Vergnügen, keinen besseren und edleren Gegenstand
des Wünschens und Strebens, bezeichnen sie als im höchsten Grade niedrig
und am Staube haftend, als eine Lehre, würdig der Schweine, mit denen ja
schon in sehr früher Zeit die Jünger Epikur's mit Verachtung verglichen wur-
den; und auch moderne Schildhalter der Lehre werden gelegentlich zum
Gegenstand gleich höflicher Vergleichungen gemacht von Seite ihrer deut-
schen, französischen und englischen Angreifer. /135/ Auf solche Angriffe haben
die Epikureer geantwortet, daß nicht sie, sondern ihre Ankläger Diejenigen
sind, welche die menschliche Natur in so entwürdigender Beleuchtung zeigen,
sintemal die Anklage voraussetzt, daß menschliche Wesen keiner anderen Ver-
sogar einen Lebensreiz mehr gesehn. Solche ,Widersprüche'". Der persische
Dichter Hafis (eigentlich Chadsche Schams al-Din Mohammad Hafese Schirazi,
ca. 1319-1389) errang mit seinem 1812/13 von Joseph von Hammer-Purgstall
übersetzten Diwan sowie dessen Adaption in Goethes West-östlichen Divan in
Deutschland breite Aufmerksamkeit als Projektionsfigur sinnenfreudiger Ori-
entphantasien.
429, 28-430, 5 Andrerseits versteht es sich nur zu gut, dass, wenn einmal die
verunglückten Thiere der Circe dazu gebracht werden, die Keuschheit anzubeten,
sie in ihr nur ihren Gegensatz sehn und anbeten werden — oh mit was für
einem tragischen Gegrunz und Eifer! man kann es sich denken — jenen peinli-
chen und vollkommen überflüssigen Gegensatz, den Richard Wagner unbestreit-
bar am Ende seines Lebens noch hat in Musik setzen und auf die Bühne bringen
wollen. Wozu doch? wie man billig fragen darf.] GM III 2, KSA 5, 341, 11-21:
„Andrerseits versteht es sich nur zu gut, dass wenn einmal die verunglückten
Schweine dazu gebracht werden, die Keuschheit anzubeten — und es giebt
solche Schweine! — sie in ihr nur ihren Gegensatz, den Gegensatz zum verun-
glückten Schweine sehn und anbeten werden — oh mit was für einem tragi-
schen Gegrunz und Eifer! man kann es sich denken — jenen peinlichen und
überflüssigen Gegensatz, den Richard Wagner unbestreitbar am Ende seines
Lebens noch hat in Musik setzen und auf die Bühne stellen wollen. Wozu
doch? wie man billig fragen darf. Denn was giengen ihn, was gehen uns die
Schweine an?"
Der odysseische Assoziationshorizont der Circe wird erst in NW eröffnet;
um welche Art von Tieren es sich handelt, wird nun vornehm verschwiegen,
vgl. NK KSA 6, 305, 21 f. Es ist ein traditioneller Vorwurf an die Adresse von
Hedonisten und Utilitaristen, sie verstünden die Menschen als Schweine und
würden ihnen deswegen ein Schweine-Glück wünschen. Dagegen hat sich bei-
spielsweise John Stuart Mill in Utilitarianism verwahrt. In der N. vorliegenden
Ausgabe (Das Nützlichkeits-Princip) lautet der Passus: „Die Unterstellung, daß
das Leben (wie sie [sc. „viele Menschen"] sich ausdrücken) keinen höhern
Endzweck habe als das Vergnügen, keinen besseren und edleren Gegenstand
des Wünschens und Strebens, bezeichnen sie als im höchsten Grade niedrig
und am Staube haftend, als eine Lehre, würdig der Schweine, mit denen ja
schon in sehr früher Zeit die Jünger Epikur's mit Verachtung verglichen wur-
den; und auch moderne Schildhalter der Lehre werden gelegentlich zum
Gegenstand gleich höflicher Vergleichungen gemacht von Seite ihrer deut-
schen, französischen und englischen Angreifer. /135/ Auf solche Angriffe haben
die Epikureer geantwortet, daß nicht sie, sondern ihre Ankläger Diejenigen
sind, welche die menschliche Natur in so entwürdigender Beleuchtung zeigen,
sintemal die Anklage voraussetzt, daß menschliche Wesen keiner anderen Ver-