Neue Untersuchungen über flüssige Kristalle (I. Teil).
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stenz flüssiger Kristalle zuzugeben, damit aber auch die Unhalt-
barkeit der Identitätstheorie, obschon sich diese stützte auf die
aus der kinetischen Gastheorie in exakter Weise abzuleitende
Regel von AvoGAono, die das Fundament der physikalischen
Chemie bildete)
Aufmerksam geworden durch diese Überlegungen fand ich
dann bet einem anderen Stoff, dem Ammoniumoleat (Schmier-
seife), ähnlich weiche Kristalle, die noch den besonderen Vorzug
hatten, nicht dem regulären, sondern dem tetragonalen System
anzugehören, somit optischer Prüfung zugänglich zu sein.3) Sie
haben sicher keine Elastizitätsgrenze, sind also flüssig, denn
zwei derselben zusammengebracht, fließen zusammen
wie zwei Flüssigkeitstropfen. Elastizität würde dies hindern.
Zwei elastische Bälle in eine gespannte elastische Haut, ver-
gleichbar dem sog. Oberflächenhäutchen der Flüssigkeiten, ein-
geschlossen, werden nicht zu einer Kugel zusammengedrückt wie
zwei zusammenfließende, freischwebende Tropfen durch die
Oberflächenspannung^) Damit war die Existenz flüssiger
Kristalle, die in jeder Hinsicht festen Kristallen
gleichen, erwiesen.^) Durch Farbstoffzusatz (z. B. von Mag-
dalarot, Saffranin usw.) konnte man sogar Dichroismus erzeugen,
3) Siehe W. NERNST, TFgorgf. CAgw^g, 6. Auf!., Stuttgart 1909.
3) 0. LEHMANN, ZeRsePr. /. y/ry.s. CAew. 78, 91, 1895 u. FFfeJ. 56,
771. 1895.
4) Freilich, zwei Ammoniumoleatkristaüe fließen auch nicht zu einer
Kugel zusammen, sondern zu einem Kristall von gleicher Form. In der
irrigen Meinung, diese Form sei das Ergebnis des Gleichgewichtes zwischen
Oberflächenspannung und Elastizität (7. 77, 728, 1905), glaubte
ich anfänglich doch, den Kristallen ein, wenn auch sehr geringes Maß von
(vollkommener) Elastizität zuschreiben zu müssen, und nannte sie deshalb
zunächst nicht flüssige, sondern „fließende" Kristalle. Weitere Beobach-
tungen führten mich aber später zur Erkenntnis, es könne nur von einem
Gleichgewicht zwischen Kohäsion und Expansivkraft gesprochen werden. Ein
beliebiges, aus einem flüssigen Kristall herausgeschnittenes Stück (z. B. eine
Kugel) nimmt nämlich von selbst wieder Polyederform an. Elastizität könnte
solche Formänderung nicht bewirken, die gestaltende Kraft ist also nicht Elastizität.
3) Biese einleitenden Bemerkungen über den Nachweis der Existenz
flüssiger Kristalle könnten überflüssig scheinen. In einer eben veröffent-
lichten Dissertation von E. S.CHAEFER in Halle a. S., „UMfgrsMc/uun/gM M&gr
PfeAfe, Rgf&MMy -MM(7 AnyP/urüäf ArfgAPB?üseAe?" FfMSsDkgpgM", liest man
aber : „Mit dem Namen «Flüssige Kristalle» bzw. «Kristallinische Flüssig-
keiten» bezeichnet man eine Reihe organischer Verbindungen, die beim Er-
hitzen aus dem kristallinisch-festen nicht unmittelbar in den isotrop-flüssigen
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stenz flüssiger Kristalle zuzugeben, damit aber auch die Unhalt-
barkeit der Identitätstheorie, obschon sich diese stützte auf die
aus der kinetischen Gastheorie in exakter Weise abzuleitende
Regel von AvoGAono, die das Fundament der physikalischen
Chemie bildete)
Aufmerksam geworden durch diese Überlegungen fand ich
dann bet einem anderen Stoff, dem Ammoniumoleat (Schmier-
seife), ähnlich weiche Kristalle, die noch den besonderen Vorzug
hatten, nicht dem regulären, sondern dem tetragonalen System
anzugehören, somit optischer Prüfung zugänglich zu sein.3) Sie
haben sicher keine Elastizitätsgrenze, sind also flüssig, denn
zwei derselben zusammengebracht, fließen zusammen
wie zwei Flüssigkeitstropfen. Elastizität würde dies hindern.
Zwei elastische Bälle in eine gespannte elastische Haut, ver-
gleichbar dem sog. Oberflächenhäutchen der Flüssigkeiten, ein-
geschlossen, werden nicht zu einer Kugel zusammengedrückt wie
zwei zusammenfließende, freischwebende Tropfen durch die
Oberflächenspannung^) Damit war die Existenz flüssiger
Kristalle, die in jeder Hinsicht festen Kristallen
gleichen, erwiesen.^) Durch Farbstoffzusatz (z. B. von Mag-
dalarot, Saffranin usw.) konnte man sogar Dichroismus erzeugen,
3) Siehe W. NERNST, TFgorgf. CAgw^g, 6. Auf!., Stuttgart 1909.
3) 0. LEHMANN, ZeRsePr. /. y/ry.s. CAew. 78, 91, 1895 u. FFfeJ. 56,
771. 1895.
4) Freilich, zwei Ammoniumoleatkristaüe fließen auch nicht zu einer
Kugel zusammen, sondern zu einem Kristall von gleicher Form. In der
irrigen Meinung, diese Form sei das Ergebnis des Gleichgewichtes zwischen
Oberflächenspannung und Elastizität (7. 77, 728, 1905), glaubte
ich anfänglich doch, den Kristallen ein, wenn auch sehr geringes Maß von
(vollkommener) Elastizität zuschreiben zu müssen, und nannte sie deshalb
zunächst nicht flüssige, sondern „fließende" Kristalle. Weitere Beobach-
tungen führten mich aber später zur Erkenntnis, es könne nur von einem
Gleichgewicht zwischen Kohäsion und Expansivkraft gesprochen werden. Ein
beliebiges, aus einem flüssigen Kristall herausgeschnittenes Stück (z. B. eine
Kugel) nimmt nämlich von selbst wieder Polyederform an. Elastizität könnte
solche Formänderung nicht bewirken, die gestaltende Kraft ist also nicht Elastizität.
3) Biese einleitenden Bemerkungen über den Nachweis der Existenz
flüssiger Kristalle könnten überflüssig scheinen. In einer eben veröffent-
lichten Dissertation von E. S.CHAEFER in Halle a. S., „UMfgrsMc/uun/gM M&gr
PfeAfe, Rgf&MMy -MM(7 AnyP/urüäf ArfgAPB?üseAe?" FfMSsDkgpgM", liest man
aber : „Mit dem Namen «Flüssige Kristalle» bzw. «Kristallinische Flüssig-
keiten» bezeichnet man eine Reihe organischer Verbindungen, die beim Er-
hitzen aus dem kristallinisch-festen nicht unmittelbar in den isotrop-flüssigen