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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0022
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22

Hans Driesch:

aber eine ganz neue Frage aufwirft, so daß man sagen möchte, es
sei unsere Erklärung des natürlichen Todes doch nicht so ,,ganz
grundsätzlich“ gewesen.
Was heißt denn „Tod“ mit Rücksicht auf die Beziehungen
des Amechanischen zum Mechanischen ? Ist das Amechanische
beim Tode passiv oder aktiv? Wird es sozusagen abgestoßen oder
gibt es seine suspendierende Wirkung seinerseits auf ? Im letzten
Falle, also wenn es aktiv wäre, könnte ein „Aufgebrauchtsein“ zur
Verfügung stehender materieller Möglichkeiten doch höchstens als
Veranlassung für den Tod gelten.
Es ist selbstverständlich, daß mehr als eine Erwähnung von
Denkmöglichkeiten hier nicht erlaubt ist. —
Übrigens mag, gleichsam als Nachtrag, noch dieses bemerkt
sein: In der Kette der Fortpflanzungszellen durch die Reihe
der Generationen hindurch ist sicherlich von einem „Aufbrauch“
von irgend etwas nicht die Rede, wenigstens in den der Beobachtung
zur Verfügung stehenden Zeiträumen nicht. Insofern konnte
Weismann von einer „Unsterblichkeit“ der Kette der Fortpflan-
zungszellen reden. Und er durfte auch von einer Unsterblichkeit
der Einzelligen reden, wie namentlich die neueren Untersuchungen
Woodruffs gezeigt haben: die Teilung dieser Wesen geht ohne
Grenze fort; zwar mag man sagen, daß die Elternindividuen ver-
schwinden, aber sie sind doch nicht als „Leiche“ aus dem Reiche
des Lebendigen ausgeschieden. Der Begriff „Leiche“ gilt nur für
die Körper, die somata, der mehrzelligen Wesen. Warum gibt
es hier „Leichen“ — das ist unsere unbeantwortbare Frage.
5. Eigentlich nachgewiesen ist vitalistisch.es Geschehen nur
für die Gebiete der personalen Formbildung (Embryologie und
Restitution) und für die Handlung. Für andere Gebiete des Lebens-
geschehens ist- es nur als wahrscheinlich vermerkt, z. B. für alle
Instinkte, für Anpassungen und für alles Überpersönliche.
Vom Überpersönlichen (Phylogenie und Geschichte) soll
hier noch kurz die Rede sein. Zu der im engeren Sinne „vitalisti-
schen“ Suspensionslehre kommen hier noch erhebliche Schwierig-
keiten hinzu. Denn es handelt sich hier ja nicht um unmittelbare
Beziehungen zwischen personaler Entelechie und Materie. Es han-
delt sich um Beziehungen zwischen überpersonaler und per-
sonaler Entelechie.
Phylogenetisch „entwickelt“ sich das, was für jede perso-
nale Entwicklung den Grund abgibt. Wie das geschieht, und wie
 
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