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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0012
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Ernst Hoffmann:

gegenwärtig sind. Das ist1 ihre ‘Flucht von hier nach dort; Flucht
aber ist die soweit möglich zu erzielende Verähnlichung mit Gott:
auf Grund richtiger Einsicht gerecht und fromm zu werden’.
II.
Schon die unmittelbaren Schüler Platons in der Akademie
zeigten sich ganz besonders für einen bestimmten systematischen
Punkt dieser Lehre interessiert, den auch Platon selber bereits
gründlichst erwogen und den'er das Problem des ‘Einen und Vielen’
genannt2 hatte. Wenn Gott das absolut-Eine ist, die Ideen das
bestimmt-Viele sind, die Erscheinungen ein verströmend-Zahlloses
darstellen, so erhebt sich die Frage, ob dann nicht Gott das ‘Erste’
ist, die Ideen aus ihm hervorgehend ein ‘Zweites’, die Erscheinun-
gen in abermaligem Hervorgehen ein ‘Drittes’ ? Muß nicht alle
grenzenlose Unendlichkeit Hervorgang aus höherer Vielheit, und
alle Vielheit letztlich Hervorgang aus einer ursprünglichen Einsheit
sein ? Und wenn dem so ist, ist dann nicht vielleicht ein Rückweg
des Grenzenlosen und Vielen ins Eine Ursprüngliche denkbar,
und ist nicht jene ‘soweit als möglich zu erzielende Verähnlichung
mit Gott’ noch einer Steigerung bis zur gänzlichen Wiedervereini-
gung mit ihm fähig ?
Es ist sicher, daß schon Platon sich diese Fragen stellte und
stellen mußte, nachdem der Hervorgang des Vielen aus dem Einen
bereits den kosmogonischen und physiologischen Spekulationen
der Vorsokratiker vom Mythos her als Problem vererbt war. Aber
es ist ebenso sicher, daß Platon die Bejahung dieser Frage für
die Philosophie aus ganz prinzipiellen Gründen abgelehnt hat.
Platon hat sich zunächst geweigert, die Vielheit der Ideen
als etwas Sekundäres aus Einer höchsten göttlichen Einsheit
‘hervorgehen’ zu lassen. Denn das Eine und das Viele, so
lehrte er im Parmenides3, sind zwei Begriffe, von denen keiner
dialektisch den Vorrang hat, keiner logisch früher ist als der
andere; beide sind vielmehr als Begriffe von vornherein un-
1 Theaet. 176b: svüsvSs exelae <ps6yeiv «<; TajncsTa, <puyi) Se öyLouoou;
d-eS) xoctoc tö Suvoctov. ogolwcnt; 8e Sixaiov xod öoxov gsTa (ppovv)aewc; yeveaüoa.
2 "Ev-toTOA im Philebus. Vgl. die von Apelt in seinem Platon-
Index S. 30 s. v. ‘Eins’ nicht nur gesammelten, sondern musterhaft geord-
neten Stellen über die vierfache Bedeutung der Korrelation von Einheit und
Vielheit bei Platon.
3 Vgl. besonders Parmen. 137c—142a, 157b—159a.
 
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