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Wolfgang Raible
etwa span, a fines de, al margen de, afuerza de etc. ; ital. a differenza di, a
favore di, a conclusione di, afianco di, a seconda di3. Dabei entspricht,
sprachgeschichtlich gesehen, die zweite Präposition, also das de, im
Prinzip einem lateinischen Genitiv4.
Von den Fügungen mit à als erstem und de als letztem Element gibt es
erstaunliche Mengen - im Französischen allein an die hundert. Im Fran-
zösischen ist die nächsthäufige Gruppe der Typ ,en - de‘, also etwa en
raison de, en présence de, en matière de. Weitere produktive Bildungs-
typen sind ,par - de‘ und ,sous - de‘, also etwa par crainte de oder sous
prétexte de.
2. Zuordnung der präpositionalen Fügungen zu Inhaltsklassen
Die eher für die einzelsprachliche Grammatik wichtigen Bauprinzipien
dieser Fügungen sollen nicht weiter Gegenstand dieser Überlegungen
3 Im Rumänischen ist das a funktionell anders belegt; deswegen gibt es dort keine Fügun-
gen dieser Art mit a als erstem Element; die häufigste Form ist im Rumänischen in, also
beispielsweise ,în jurul +Genitiv‘ ,in der Umgebung von', ,în functie + Genitiv4 im Sinne
von frz. en fonction de. Da die Genitiv-Form des nachfolgenden Nomens synthetisch
oder analytisch sein kann, folgt im Rumänischen dann, je nachdem, eine Form mit inkor-
poriertem bestimmtem Genitiv-Artikel oder eine de- bzw. din- Form nach. Das Äquiva-
lent des französischen en dépit de ist in ciuda, das Syntagma ,trotz des noch unbekannten
Etymons' wäre also rum. ,ΐη ciuda etimonuZm înca necunoscut al cuvîntului'. Frz. ,en
dépit d’autres facteurs' würde rum. dagegen heißen ,ϊη ciuda de agi factori'.
4 Ein französisches à titre de bezeichnet beispielsweise die Rolle. Angelegt ist diese Bedeu-
tung bereits im Lateinischen, wo titulus u. a. bedeuten konnte ,Aushängeschild', ,äußer-
licher Grund', ,Vorwand', ,Ursache'. In den Digesten kann man (bei Papinian) etwa
lesen: „. .. cetera bona titulo pignoris vendidit“ im Sinne von ,als Pfand' (Digesten
20,5,1,0). Wenn das Element, das im Genitiv stehen sollte, z. B. deshalb nicht im Genitiv
stehen kann, weil es sich um eine ganze Wortgruppe handelt, wird auch bei den Juristen
bereits de eingesetzt: Ulpian sagt beispielsweise (Digesten 3,1,1,1): „De quibus personis
sub titulo de in ius vocando plenius diximus.“ (Dabei hat titulus freilich die wörtlichere
Bedeutung.) Ein Beispiel aus den merowingischen Urkunden (es handelt sich um die
Nr. 13 bei Lauer/Samaran, eine Urkunde, die zwischen 650 und 673 entstanden sein
muß): „. . . per vinditionis titulum . . .“. Es würde ausreichen, dies zu übersetzen mit
,durch Verkauf' (,per venditionem'). - Ein anderes lateinisches Beispiel aus demselben
Verwendungsbereich ist nomen. In einer der 1959 in Pompeji entdeckten Urkunden, hier
einem Chirographen vom 15. September 39 n. Chr., steht „. . . me .. . poenae nomine in
dies singulos HS XX nummos obligatum iri" - „. . . daß ich als Strafe für jeden Tag auf 20
Sesterzen verpflichtet sein werde.“ (Zitiert nach Joseph Georg Wolf/John Anthony
Crook 1989:35.) Solche Wendungen tauchen dann z. B. als „in nome di pena“ in gleicher
Bedeutung im Altitalienischen auf (Rainerio da Perugia, Trattato d’arte notaria, §1).
Wolfgang Raible
etwa span, a fines de, al margen de, afuerza de etc. ; ital. a differenza di, a
favore di, a conclusione di, afianco di, a seconda di3. Dabei entspricht,
sprachgeschichtlich gesehen, die zweite Präposition, also das de, im
Prinzip einem lateinischen Genitiv4.
Von den Fügungen mit à als erstem und de als letztem Element gibt es
erstaunliche Mengen - im Französischen allein an die hundert. Im Fran-
zösischen ist die nächsthäufige Gruppe der Typ ,en - de‘, also etwa en
raison de, en présence de, en matière de. Weitere produktive Bildungs-
typen sind ,par - de‘ und ,sous - de‘, also etwa par crainte de oder sous
prétexte de.
2. Zuordnung der präpositionalen Fügungen zu Inhaltsklassen
Die eher für die einzelsprachliche Grammatik wichtigen Bauprinzipien
dieser Fügungen sollen nicht weiter Gegenstand dieser Überlegungen
3 Im Rumänischen ist das a funktionell anders belegt; deswegen gibt es dort keine Fügun-
gen dieser Art mit a als erstem Element; die häufigste Form ist im Rumänischen in, also
beispielsweise ,în jurul +Genitiv‘ ,in der Umgebung von', ,în functie + Genitiv4 im Sinne
von frz. en fonction de. Da die Genitiv-Form des nachfolgenden Nomens synthetisch
oder analytisch sein kann, folgt im Rumänischen dann, je nachdem, eine Form mit inkor-
poriertem bestimmtem Genitiv-Artikel oder eine de- bzw. din- Form nach. Das Äquiva-
lent des französischen en dépit de ist in ciuda, das Syntagma ,trotz des noch unbekannten
Etymons' wäre also rum. ,ΐη ciuda etimonuZm înca necunoscut al cuvîntului'. Frz. ,en
dépit d’autres facteurs' würde rum. dagegen heißen ,ϊη ciuda de agi factori'.
4 Ein französisches à titre de bezeichnet beispielsweise die Rolle. Angelegt ist diese Bedeu-
tung bereits im Lateinischen, wo titulus u. a. bedeuten konnte ,Aushängeschild', ,äußer-
licher Grund', ,Vorwand', ,Ursache'. In den Digesten kann man (bei Papinian) etwa
lesen: „. .. cetera bona titulo pignoris vendidit“ im Sinne von ,als Pfand' (Digesten
20,5,1,0). Wenn das Element, das im Genitiv stehen sollte, z. B. deshalb nicht im Genitiv
stehen kann, weil es sich um eine ganze Wortgruppe handelt, wird auch bei den Juristen
bereits de eingesetzt: Ulpian sagt beispielsweise (Digesten 3,1,1,1): „De quibus personis
sub titulo de in ius vocando plenius diximus.“ (Dabei hat titulus freilich die wörtlichere
Bedeutung.) Ein Beispiel aus den merowingischen Urkunden (es handelt sich um die
Nr. 13 bei Lauer/Samaran, eine Urkunde, die zwischen 650 und 673 entstanden sein
muß): „. . . per vinditionis titulum . . .“. Es würde ausreichen, dies zu übersetzen mit
,durch Verkauf' (,per venditionem'). - Ein anderes lateinisches Beispiel aus demselben
Verwendungsbereich ist nomen. In einer der 1959 in Pompeji entdeckten Urkunden, hier
einem Chirographen vom 15. September 39 n. Chr., steht „. . . me .. . poenae nomine in
dies singulos HS XX nummos obligatum iri" - „. . . daß ich als Strafe für jeden Tag auf 20
Sesterzen verpflichtet sein werde.“ (Zitiert nach Joseph Georg Wolf/John Anthony
Crook 1989:35.) Solche Wendungen tauchen dann z. B. als „in nome di pena“ in gleicher
Bedeutung im Altitalienischen auf (Rainerio da Perugia, Trattato d’arte notaria, §1).