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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Heger, Klaus [Honoree]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0226
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Wolfgang Raible

len Finitheit nur die Assertion, der Ausdruck der Person und, was den
Infinitiv im Gegensatz zum Partizip angeht, die Spezifizierung nach dem
Numerus4. Mit der Nominalendung haben die „Partizipien“ gleichzeitig
Anteil an der Markierung nach Kasus5. Am geringen Unterschied in der
Ausstattung mit den Merkmalen von Verbal- und Nominalsystem liegt
es vermutlich auch, daß der altgriechische Infinitiv und das altgriechi-
sche Partizip z.T. in ähnlichen Kontexten ganz ähnlich verwendet wer-
den können:
- ηρξαντο δε κατά τούς χρόνους τούτους και τα μακρά τείχη Αθηναίοι ές
„sie begannen1
θάλασσαν οίκοδομεϊν
,zu bauen1, Inf. Praes. Akt.
(„Zu dieser Zeit begannen die Athener auch mit dem Bau (wörtlich: zu bauen)
der langen Mauern zum Meer hin“ - Thukydides 1,107,1.)
- αρξομοα δε από τής ιατρικής λέγων,
,ich werde beginnen1 ,zu reden1, Part. Praes. Akt.
ϊνα καί πρεσβεύωμεν τήν τέχνην
(„Ich werde in meinen Ausführungen mit der Ärztkunst beginnen, damit wir
diese Kunst auch ehren“ - Platon, Symposion 186 b 2.)
Der Unterschied liegt in diesem Fall offensichtlich darin, daß im zweiten
Beispiel die Tätigkeit, mit der begonnen werden soll, noch bevorsteht.
Ansonsten wird die Konkurrenz beider Formen namentlich bei den epi-
stemischen Verben zur Kodierung von Unterschieden ausgenützt: dort,
wo der Sprechende die Regreßpflicht für das in der integrierten Sachver-
haltsdarstellung Stehende übernehmen kann oder muß, steht die „parti-
zipiale“ Form, dort, wo dies nicht der Fall ist, die „infinitivische“. Dem-
entsprechend steht auch bei den Verben der Sinneswahrnehmung die
„Infinitiven“ etwas gemeinsam: Er ist eine von einem Verb abgeleitete Form, die ver-
wendet wird wie ein Nomen, die also nominale Eigenschaften hat. Vgl. André Roman
1988:220 ff.
4 Bei der Behandlung der vier finnischen Infinitive ergab sich, daß ein „verbales“ Merkmal
wie das der Person z.T. mit „nominalen“ Mitteln (Possessivsuffixe) ausgedrückt wird.
Bei den griechischen (lateinischen, finnischen) Partizipialformen trifft dasselbe für den
Numerus zu.
5 Der Name .Partizip1 bzw. sein griechisches Vorbild bei Dionysios Thrax kommt von
genau dieser „Teilhabe“ (μετοχή) der verbalen Formen an den Eigenschaften des No-
mens: „Das Partizip ist eine Wortart, die an den Eigenheiten der Verben und der Nomina
teilhat“ - μετοχή έστι λέξις μετέχουσα τής τών ρημάτων καί τής τών ονομάτων ίδιότη-
τος. (Dionysios Thrax, Techne grammatike 639, 30 Bekker.)
 
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