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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Heger, Klaus [Honoree]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0265
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VI. Ein nochmaliger Blick auf die Dimension ,Junktion‘

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4. die permanente diachronische Transformation von Sprachsystemen
und die damit verbundene „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ in
den einzelnen Sprachen stets für ein Nebeneinander älterer und neue-
rer Strukturen sorgt. Dabei ist allerdings häufig die Beobachtung mög-
lich, daß, wie oben in Kapitel V gezeigt wurde, die „obsoleten“ Techni-
ken in die stilistisch hohen Register konzeptioneller Schriftlichkeit
wandern.
Die Folge ist, daß Sprachsysteme selten dominant nach einem einzigen
Prinzip organisiert oder ausgerichtet sind, sondern einen Kompromiß
zwischen einer größeren Zahl von sich widerstreitenden Prinzipien dar-
stellen58. Hierfür hat der Verfasser bei früherer Gelegenheit (1980) die
aus Heraklit entlehnte - und in analogen Zusammenhängen auch von
René Thom herangezogene - Konzeption verwendet, nach der sich hin-
ter der scheinbaren Statik und Ausgewogenheit der Erscheinungen, die
wir wahrzunehmen glauben, ein Gleichgewicht von sich widerstreiten-
den Kräften verbirgt. Eines der Bilder, an denen Heraklit dies erläutert
hat, ist das des Bogens, dessen beide auseinanderstrebende, die innere
Spannung bedingende Enden durch die Saite im Gleichgewicht gehalten
werden:
ού ξυνιάσιν οκως διαφερόμενον έαυτώ όμολογέει· παλίντροπος άρμονίη δκωσ-
περ τόξου και λύρης.
„Sie verstehen nicht, wie es auseinandergetragen mit sich selbst im Sinn zusam-
mengeht: gegenstrebige Vereinigung wie die des Bogens und der Leier.“59
6. Verb-Verb-Junktionen zwischen Grammatik und Lexikon:
Die Verben, die vorzugsweise grammatikalisiert werden
Schon wiederholt - oben in VI. 1 und 2 oder etwa in II.4.1.[3] und [4] -
war die Rede davon, daß eine Verb-Verb-Junktion entweder Folgen
allein für das Partizipatum haben kann oder aber solche Folgen, die mit
erklären zu wollen, scheint - im Sinne der oben in Kapitel I apostrophierten „evolutio-
nären Erkenntnistheorie“ - eine Eigenschaft zu sein, die sich aus der Adaptation der
Spezies ,Mensch' an seine Umwelt in der Phylogenese erklärt.
58 Vgl. zu einer analogen Einschätzung verschiedene Arbeiten des Freiburger Skandinavi-
sten Otmar Werner (1987, 1988, 1989, 1991).
59 Vgl. Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker, Berlin (Weidmann) 1951, Band I,
22B51. Von Hermann Diels stammt auch die deutsche Übersetzung. - Vgl. dazu auch
Raible (1980) und (1989).
 
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