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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0015
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Vorbemerkung
Texte kann man in verschiedenerWeise lesen. Wer ein Lehrbuch
liest, kann dies tun, um etwas zu lernen - aber auch um festzustel-
len, wie das Lehrbuch als Lehrbuch gemacht ist. Wenn das Lehr-
buch aus dem 13. Jahrhundert stammt, kann man es auch als Histo-
riker lesen, etwa als Beleg für die Organisation der Lehre in einer
bestimmten Epoche. Der Verfasser hat nun Texte aus einem
bestimmten Bereich des Wissens, dem der Biologie, gelesen - frei-
lich nicht als Biologe, sondern als Sprachwissenschaftler. Daß er
dafür gerade die molekulare Genetik gewählt hat, hat seinen Grund
zuallererst darin, daß heute jedermann vom „genetischen Code“
und von „genetischen Texten“ spricht.
Es gibt freilich kaum ein Gebiet des Wissens, das sich in der letz-
ten Dekade so stürmisch entwickelt hat wie gerade die molekulare
Genetik. Jemand, der am Anfang der 80er Jahre als Lehrmeinung
über das Funktionieren des genetischen Codes bei Vielzellern das
vertreten hätte, was sich zehn Jahre später als gesichertes Wissen
abzeichnet, wäre, wie an mehreren Stellen nachzulesen ist, schlicht
ausgelacht oder sogar für unzurechnungsfähig erklärt worden. So ist
ein Hintergedanke der folgenden „artfremden“ Lektüre biologi-
scher Texte denn auch der, als Außenstehender dem Außenstehen-
den die Tragweite dieser Forschungen zu verdeutlichen. Zugleich
soll aber auch gezeigt werden, wie nahe sich scheinbar sehr weit
voneinander entfernte Gebiete des Wissens sein können1.

1 Eine erste Version dieses Texts wurde am 15. 5. 1992 am College de France
vogetragen. - Ich danke Klaus Sander und Bernhard Hassenstein für eine Reihe
hilfreicher und kritischer Hinweise. - Während hierzulande Wissenschaft, die
nicht nur für die Fachleute verständlich dargestellt wird, eher auf Skepsis und
Mißtrauen stößt (und dem wissenschaftlichen Fortkommen des Autors nicht
unbedingt förderlich ist), gibt es im angelsächsischen Sprachbereich eine lange
gegenläufige Tradition. Sie verdient im vorliegenden Zusammenhang eine
besondere dankende Erwähnung: Genannt seien hier die Zeitschrift Scientific
American und das Buch, in dem Peter A. Lawrence - selbst einer der Großen
unter den Drosophila-Forschem - 1992 die bisherige Forschung zur Entwick-
lungsbiologie der Fruchtfliege in vorbildlicher und auch dem interessierten
Laien verständlicher Weise synthetisiert hat.
 
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