24
Wolfgang Raible
den im Zellkern24. Die beiden vorangehenden Abbildungen ver-
deutlichen dies. In der ersten Abbildung symbolisiert der Schlauch,
der sich um die Histone windet, den Doppelwendei der DNS. Abbil-
dung 3 macht zugleich die Größenverhältnisse deutlich: in diesem
Bereich wird mit der Einheit Milliardstel Meter (Nanometer [10‘9 m]
oder Ängstrom [IO-10 m]) gemessen. Abbildung 4 zeigt in ihrem
rechten Teil die kompakteste Form der Lagerung der Doppelhelix
(zum Zeitpunkt der Zellteilung). Chromosomen können auch unter
dem Lichtmikroskop sichtbar werden, zumal dann, wenn sie „poly-
tän“ sind, wenn also mehrere Chromosomen übereinander liegen
wie etwa in den Speicheldrüsen von Insekten.
4.1 Wie wird der genetische Code umgesetzt?
Jede einzelne der Zellen eines vielzelligen Lebewesens enthält,
so wurde gesagt, das Insgesamt der genetischen Information der
Gattung. Denkt man darüber nach, was dies bedeutet, so wird
sogleich ein Problem mit zwei Aspekten sinnfällig. Ein erster
Aspekt ist die schiere Menge von Information, die im Genom ent-
halten ist. Der genetische Lochstreifen der DN S unserer menschli-
chen Chromosomen umfaßt z.B. annähernd drei Milliarden
Nukleotid-Buchstaben25. Die Mechanismen unserer Zellen lesen
24 Daß dies nötig ist, zeigen einfache Zahlenverhältnisse: Das Genom der uns
unsichtbaren Mikrobe Escherichia coli wäre, in Fadenform angeordnet, 1.2 mm
lang; jede unserer Körperzellen enthielte unter diesen Umständen einen
Genom-Faden von ca. 70-80 cm Länge.
25 Wenn wir einmal annehmen, diese Information würde in Büchern ausgedruckt,
die jeweils 1000 Seiten zu je 40 Zeilen enthalten, wobei jede Zeile wieder 75
Buchstaben umfaßt, dann wäre das Äquivalent dessen, was in jeder unserer Kör-
perzellen enthalten ist, eine Bibliothek mit 1000 solcher 1000-seitigen Bände.
Ein Mensch würde 12 Jahre lang täglich acht Stunden lesen müssen, um diesen
ungeheuren Text von vorne bis hinten anzuschauen - ohne freilich besonders
viel davon zu verstehen. - Dieser Text wird in einiger Zeit wohl integral zugäng-
lich sein. In einem ehrgeizigen Unternehmen, dem „Human Genome Project“,
wird er, auf etwa 20 große Laboratorien verteilt, unter amerikanischer Führung
seit einigen Jahren Chromosom für Chromosom entschlüsselt. (Vgl. dazu etwa
Davis 1990.) Dank der entschieden eleganteren und effizienteren Ideen einer
einzigen französischen Gruppe um Jean Weissenbach und Daniel Cohen, in der
insbesondere auch mathematischer und informatischer Sachverstand stark ver-
treten ist, wird die Arbeit in Evry mit einem ungleich geringeren Aufwand an
Zeit, Personal und Kosten wohl wesentlich schneller zu ihrem Ende kommen
als nach den amerikanischen Plänen. Eines der größten Probleme ist dabei die
Archivierung der Ergebnisse in Datenbanken. Die französische Equipe, die
vom Ganzen zu den Teilen hin analysiert, hat dabei eindeutige Vorteile, weil sie
Wolfgang Raible
den im Zellkern24. Die beiden vorangehenden Abbildungen ver-
deutlichen dies. In der ersten Abbildung symbolisiert der Schlauch,
der sich um die Histone windet, den Doppelwendei der DNS. Abbil-
dung 3 macht zugleich die Größenverhältnisse deutlich: in diesem
Bereich wird mit der Einheit Milliardstel Meter (Nanometer [10‘9 m]
oder Ängstrom [IO-10 m]) gemessen. Abbildung 4 zeigt in ihrem
rechten Teil die kompakteste Form der Lagerung der Doppelhelix
(zum Zeitpunkt der Zellteilung). Chromosomen können auch unter
dem Lichtmikroskop sichtbar werden, zumal dann, wenn sie „poly-
tän“ sind, wenn also mehrere Chromosomen übereinander liegen
wie etwa in den Speicheldrüsen von Insekten.
4.1 Wie wird der genetische Code umgesetzt?
Jede einzelne der Zellen eines vielzelligen Lebewesens enthält,
so wurde gesagt, das Insgesamt der genetischen Information der
Gattung. Denkt man darüber nach, was dies bedeutet, so wird
sogleich ein Problem mit zwei Aspekten sinnfällig. Ein erster
Aspekt ist die schiere Menge von Information, die im Genom ent-
halten ist. Der genetische Lochstreifen der DN S unserer menschli-
chen Chromosomen umfaßt z.B. annähernd drei Milliarden
Nukleotid-Buchstaben25. Die Mechanismen unserer Zellen lesen
24 Daß dies nötig ist, zeigen einfache Zahlenverhältnisse: Das Genom der uns
unsichtbaren Mikrobe Escherichia coli wäre, in Fadenform angeordnet, 1.2 mm
lang; jede unserer Körperzellen enthielte unter diesen Umständen einen
Genom-Faden von ca. 70-80 cm Länge.
25 Wenn wir einmal annehmen, diese Information würde in Büchern ausgedruckt,
die jeweils 1000 Seiten zu je 40 Zeilen enthalten, wobei jede Zeile wieder 75
Buchstaben umfaßt, dann wäre das Äquivalent dessen, was in jeder unserer Kör-
perzellen enthalten ist, eine Bibliothek mit 1000 solcher 1000-seitigen Bände.
Ein Mensch würde 12 Jahre lang täglich acht Stunden lesen müssen, um diesen
ungeheuren Text von vorne bis hinten anzuschauen - ohne freilich besonders
viel davon zu verstehen. - Dieser Text wird in einiger Zeit wohl integral zugäng-
lich sein. In einem ehrgeizigen Unternehmen, dem „Human Genome Project“,
wird er, auf etwa 20 große Laboratorien verteilt, unter amerikanischer Führung
seit einigen Jahren Chromosom für Chromosom entschlüsselt. (Vgl. dazu etwa
Davis 1990.) Dank der entschieden eleganteren und effizienteren Ideen einer
einzigen französischen Gruppe um Jean Weissenbach und Daniel Cohen, in der
insbesondere auch mathematischer und informatischer Sachverstand stark ver-
treten ist, wird die Arbeit in Evry mit einem ungleich geringeren Aufwand an
Zeit, Personal und Kosten wohl wesentlich schneller zu ihrem Ende kommen
als nach den amerikanischen Plänen. Eines der größten Probleme ist dabei die
Archivierung der Ergebnisse in Datenbanken. Die französische Equipe, die
vom Ganzen zu den Teilen hin analysiert, hat dabei eindeutige Vorteile, weil sie