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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0051
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Sprachliche Texte - Genetische Texte

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ren und sind nichts anderes als eine weitere Art von metakommuni-
kativen Signalen46.
5.3 Der selektive Transkriptionsprozeß durch „intelligente“ Enzyme
und die „Grammatik der Biologie“
Damit Gene aktiviert, also „gelesen“ und in Polypeptid-Ketten
übersetzt werden, müssen, so weiß man inzwischen, eine ganze
Reihe solcher metakommunikativen Signale gesetzt (oder nicht
gesetzt) sein: Es gibt, wie in der oberen Hälfte von Abbildung 11
dargestellt, im Lochstreifen der Doppelhelix eine oder mehrere
„Promotor-Regionen“ für ein dazugehöriges Gen; es kann eine
soganannte „enhancer-“ oder „Verstärker-Region“ geben, es können
vier, fünf oder sechs weitere Nukleotid-Sequenzen im genetischen
Lochstreifen vorhanden sein, die durch Proteine besetzt sein müs-
sen oder besetzt sein können. Sie weisen in der Regel spezifische
„Motive“ auf, an denen sie von entsprechenden Protein-Signalen
erkannt werden können. Weiterhin wirken natürlich gesetzte meta-
kommunikative Signale hierarchiehöherer Gene bei der Aktivie-
rung hierarchieniedrigerer Gene mit.
1944 hatte Erwin Chargaff seine Vision einer „Grammatik der
Biologie“. Ich glaube, daß sich erst seit Mitte der 80er Jahre für die
Eukaryoten eine solche wirkliche Grammatik abzuzeichnen
beginnt47. Diese Grammatik hat in erstaunlichem Maße Ähnlichkeit
mit strukturellen Eigenschaften der Grammatik menschlicher Spra-

munikativen Eiweißprodukts oder Enzyms - es sind mindestens zwei - greifen
in die „major groove“ des genetischen Lochstreifens, ein Teil ihrer Basis
„erkennt“ bestimmte Teile der DNS-Sequenz. Z.T. dienen die Finger auch dazu,
anderen Polypeptiden, z.B. Hormonen, das „Andocken“ an bestimmte Stellen
der DNS zu ermöglichen und dadurch Ableseprozesse in Gang zu setzen. Vgl.
hierzu etwa Rhodes /Klug 1993. (Aron Klug hat 1982 den Nobelpreis für Che-
mie erhalten für Arbeiten, die es ermöglichen, die Raumstruktur komplexer
Moleküle zu entschlüsseln.)
46 Vgl. die sehr instruktive Übersicht bei Beardsley 1991.
47 Rene Thom, der sich auch intensiv mit den möglichen Beziehungen zwischen
Topologie und Sprache befaßt hat, nimmt schon 1972 darauf Bezug, daß in der
Sprache über der Lautebene noch verschiedene hierarchisch höhere Ebenen
kämen, die manche Biologen bei der Betrachtung des genetischen Codes nicht
sähen: „This is why the present contention of molecular biology that the genetic
code explains morphogenesis is so ill founded; it amounts to saying that deci-
phering the alphabet of an unknown language suffices to understand it“ (Thom
1972: 82).
 
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