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Wolfgang Raible
sich - zumindest in der Theorie, in der Praxis ist dies alles viel
schwieriger - allein aus der Abfolge der Aminosäuren eine genau
festgelegte Raumstruktur des Produkts: Statt einer langen Kette
entsteht, vor allem durch Faltung, durch Wasserstoff- und durch
Sulfidbrücken, die sich zwischen den gefalteten Kettenteilen bil-
den, eine unendliche Vielfalt von verschieden geformten Makro-
molekülen oder Komplexen aus Molekülen13.
5. „Erkennen“ an der Form. Die Prozesse, die in Zellen ablaufen,
haben zu einem überwiegenden Teil damit zu tun, daß Formen
von Molekülen räumlich zu komplementären Formen anderer
Makromoleküle passen - wobei insbesondere Wasserstoff-
brücken für eine Stabilisierung sorgen können. Biologisches
„Erkennen“ - und damit vor allem auch die Katalyse von Prozes-
sen - setzt in der Regel molekulare „Passformen“ voraus wie z.B.
die zwischen Schloß und Schlüssel.
Namentlich die Punkte 3,4 und 5 sind dafür verantwortlich, daß
in den Zellen unseres Körpers mit einem Minimum an Energieauf-
wand und in einer unglaublichen Geschwindigkeit Katalyse- und
Syntheseprozesse ablaufen, für die in einem chemischen Labor ein
unendlich viel größerer Aufwand betrieben werden müßte. So liegt
es mehr als nahe, genetisch veränderte Bakterien gezielt in solche
chemische Fabriken zu verwandeln.
13 Das Problem wird u.a. dadurch kompliziert, daß (a) die Kräfte, die bei der Fal-
tung mitwirken (die Polarität der Aminosäuren und damit Hydrophilie/Hydro-
phobie, Sulfid- und Wasserstoffbrücken, van der Waals-Kräfte), in jedem
Zustand der Faltung unterschiedlich stark, also relativ sind; und dadurch, daß
(b) Polypeptid-Ketten u.U. erst durch zusätzliche Komponenten - eventuell
sogar mit Hilfe anderer Polypeptid-Ketten, die dann als Enzyme wirken - die für
ihre Funktion entscheidende Raumstruktur bekommen. Weiter unten wird z.B.
von Transkriptionsfaktoren der Zink-Finger-Klasse die Rede sein. Ohne die
zusätzlichen Zink-Ionen, die ihnen zu ihrem Namen verholten haben, bilden
sich nicht die fingerförmigen Ausstülpungen, die sie brauchen, um ihre Auf-
gabe zu erfüllen. Vgl. zur Problematik des Verhältnisses von linearer Sequenz
der Aminosäuren und Raumstruktur des Makromoleküls, was den Aspekt (a)
angeht, Richards 1991.
Wolfgang Raible
sich - zumindest in der Theorie, in der Praxis ist dies alles viel
schwieriger - allein aus der Abfolge der Aminosäuren eine genau
festgelegte Raumstruktur des Produkts: Statt einer langen Kette
entsteht, vor allem durch Faltung, durch Wasserstoff- und durch
Sulfidbrücken, die sich zwischen den gefalteten Kettenteilen bil-
den, eine unendliche Vielfalt von verschieden geformten Makro-
molekülen oder Komplexen aus Molekülen13.
5. „Erkennen“ an der Form. Die Prozesse, die in Zellen ablaufen,
haben zu einem überwiegenden Teil damit zu tun, daß Formen
von Molekülen räumlich zu komplementären Formen anderer
Makromoleküle passen - wobei insbesondere Wasserstoff-
brücken für eine Stabilisierung sorgen können. Biologisches
„Erkennen“ - und damit vor allem auch die Katalyse von Prozes-
sen - setzt in der Regel molekulare „Passformen“ voraus wie z.B.
die zwischen Schloß und Schlüssel.
Namentlich die Punkte 3,4 und 5 sind dafür verantwortlich, daß
in den Zellen unseres Körpers mit einem Minimum an Energieauf-
wand und in einer unglaublichen Geschwindigkeit Katalyse- und
Syntheseprozesse ablaufen, für die in einem chemischen Labor ein
unendlich viel größerer Aufwand betrieben werden müßte. So liegt
es mehr als nahe, genetisch veränderte Bakterien gezielt in solche
chemische Fabriken zu verwandeln.
13 Das Problem wird u.a. dadurch kompliziert, daß (a) die Kräfte, die bei der Fal-
tung mitwirken (die Polarität der Aminosäuren und damit Hydrophilie/Hydro-
phobie, Sulfid- und Wasserstoffbrücken, van der Waals-Kräfte), in jedem
Zustand der Faltung unterschiedlich stark, also relativ sind; und dadurch, daß
(b) Polypeptid-Ketten u.U. erst durch zusätzliche Komponenten - eventuell
sogar mit Hilfe anderer Polypeptid-Ketten, die dann als Enzyme wirken - die für
ihre Funktion entscheidende Raumstruktur bekommen. Weiter unten wird z.B.
von Transkriptionsfaktoren der Zink-Finger-Klasse die Rede sein. Ohne die
zusätzlichen Zink-Ionen, die ihnen zu ihrem Namen verholten haben, bilden
sich nicht die fingerförmigen Ausstülpungen, die sie brauchen, um ihre Auf-
gabe zu erfüllen. Vgl. zur Problematik des Verhältnisses von linearer Sequenz
der Aminosäuren und Raumstruktur des Makromoleküls, was den Aspekt (a)
angeht, Richards 1991.