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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 4): Zur auswärtigen Wirksamkeit: 1528 - 1533 — Gütersloh, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.29141#0193

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ULMER KIRCHENORDNUNG

189
Von Erasmus jedenfalls sind die beiden berühmten Ulmer Münster-
pfarrer Dr. Ulrich und Dr. Konrad Kraft geprägt worden, die vom Jahre
1500 bis zum Jahre 1519 im Sinne der Reformtheologie des Erasmus ge-
wirkt haben, nachdem schon ihr Vorgänger im Münsterpfarramt:
Dr. Neithart in diesem Sinne reformerisch gewirkt hatte22. Wie in anderen
Städten, so hatte sich auch in Ulm um die genannten Männer ein Kreis
Gleichgesinnter geschart, dem es um die Erneuerung einer biblischen Predigt
und Frömmigkeit, um die biblische Reform der Kirche und des Mönchtums ging.
Dr. Konrad Kraft etwa war im Jahre 1517 im Sinne Luthers und dessen
Ablaßthesen in Predigten gegen die Ablaßpredigten Tetzels aufgetreten,
die dieser u.a. auch im Ulmer Münster gehalten hatte23.
Wenn auch diese letztgenannte Reformbewegung in Ulm - wie in
anderen Städten - ganz im Rahmen der hergebrachten katholischen
Kirche verblieb und eine bruchlose, innere Reform dieser Kirche anstrebte, so
ist sie doch indirekt - wie ebenfalls in anderen Städten - ein wesentlicher
Anknüpfungspunkt für die spätere, von Luther ausgehende evangelische
Bewegung in Ulm gewesen24.
Andererseits ist der evangelischen Bewegung in Ulm jene politische
Umordnung entgegengekommen, die seit dem 13. und 14. Jahrhundert
alle Reichsstädte in zunehmendem Maße erfüllte und hier mit der magi-
stratlichen Erreichung von Besetzungs- und Präsentationsrechten an
Pfarrstellen, der städtischen Übernahme verschiedenartigster Kirch-
pflegschaften und schließlich der städtischen Verwaltung der einst rein
kirchlichen Armen- und Krankenfürsorge bis hin zur Ausübung der
Sittenzucht einen demokratischen, genossenschaftlichen Einbruch in das
bisherige kirchliche Rechtsgefüge ausgelöst hatte25. »Die Stadt als
Körperschaft im Rechtssinne verstanden, hatte die kirchliche Anstalt
beiseite geschoben ... Die Stadt war in weitem Umfange rechtliche Herrin
ihrer kirchlichen Angelegenheiten geworden. Sie mußte mit der Ge-
chen von W.Lucke: Die Entstehung der »15 Bundesgenossen« des Johann Eberlin
von Günzburg, Halle 1902.
22. Vgl.C. Th.Keim: Die Reformation der Reichsstadt Ulm, a.a.O. S.26ff.
23. Vgl.ebd.S.30f. Zur erasmischen Reformtheologie im einzelnen vgl. jetzt
E.-W.Kohls: Die Theologie des Erasmus, 2 Bde., Basel 1966.
24. Vgl. im einzelnen nochmals die Darstellung bei C. Th.Keim: Die Reformation
der Reichsstadt Ulm, a.a.O. S.26ff. Für die weiteren oberdeutschen Städte vgl.
E.-W.Kohls: Evangelische Bewegung und Kirchenordnung in oberdeutschen Reichs-
städten, a.a.O., bes.S. 115 ff.
25. Vgl.E.-W.Kohls: Evangelische Bewegung und Kirchenordnung in oberdeut-
schen Reichsstädten, a.a.O., bes.S.124ff. Erstmals umfassend herausgearbeitet hat
diese Gesichtspunkte A.Schultze in seiner grundlegenden Abhandlung: Stadtgemeinde
und Reformation, Tübingen 1918. Weiterführend vor allem das Reichsstadt-Buch von
B.Moeller: Reichsstadt und Reformation, a.a.O., bes.S. 10 ff. Für die Ulmer Verhält-
nisse speziell vgl. E. Rübling: Die Reichsstadt Ulm am Ausgange des Mittelalters
(1378-1556), 2 Bde., 1904-1907, passim.
 
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