Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 4): Zur auswärtigen Wirksamkeit: 1528 - 1533 — Gütersloh, 1975

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29141#0203

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ULMER KIRCHENORDNUNG

199

neben der politischen Polizeiaufsicht und Sittenzucht der jeweiligen
Obrigkeit - wohl vertraut. Und die Arbeiten an der Ulmer Kirchen-
ordnung lassen erkennen, daß hier das Problem nicht nur in seinen Aus-
maßen und seiner Dringlichkeit, sondern vor allem in seinen genuinen
Ursprüngen in einer seltenen Klarheit erkannt worden ist. Das heißt,
die Frage innergemeindlicher Kirchenzucht begegnet in den Ulmer
Plänen und Verhandlungen nicht als bloßes Ordnungsproblem, das
etwa zwangsläufig bei stärkerem Anwachsen einer christlichen Gemein-
schaft auftreten muß und zum Teil im Gedanken einer Lebensheiligung
seine theologische Begründung findet, sondern sie tritt als funktionale Folge
des Abendmahlsgedankens in einer spezifischen Eingrenzung und Motivierung
auf: Bei den Ulmer Beratungen über die Neuordnung des Abendmahls wird der
Plan gefaßt, durch acht »Zucht«- oder »Bannherren« das Leben der
Gemeindeglieder beaufsichtigen zu lassen und bei Verfehlungen und
anschließender Erfolglosigkeit von Ermahnungen einen Ausschluß vom
Abendmahl auszusprechen73.
Das Anliegen der Kirchenzucht erweist sich in Ulm in deutlicher Weise als
Abendmahlszucht, als Bemühen, die Gemeinschaft der Sakramentsempfänger
deutlich zu umgrenzen und in dieser Gemeinschaft den Inhalt des Sakraments mit
dem Leben rein zu bewahren. Schon bei Martin Luther waren in diesem Be-
reich des Sakramentes des Abendmahls zu Beginn der zwanziger Jahre
die Gedanken einer evangelischen Abendmahlszucht lebendig gewor-
den74. Ähnlich ist bei Zwingli der Gedanke der Zucht von der Idee des
Abendmahls wesentlich mitbestimmt worden75. Und auch bei Martin
Bucer hat sich der Plan einer christlichen Lebens- und Gemeindezucht
mit einer möglichen Bannpraxis früh im Zusammenhang des Sakra-
mentsgedankens entwickelt, wie in klassischer Weise Bucers Schrift
»Grund und Ursach« (1524) zu entnehmen ist:
»Das aber im anfang der kirchen das nachtmal alweg von der gantzen
gemein gehalten ward, hat drey gelegenheit dazu mer dann wir gehabt.
Die erst: nieman ward geteüfft und in ir gemein angenomen, dann der
sich ans wort Christi gantz ergeben hat, so in unser gemein uns vil hören
predigen und aber noch nit sich gentzlich und aller ding aus wort er-
geben haben, sonder werden Christo aller erst geporen. Zum andern
hatten sye den bann, domit sye die, so ergerlich lebten oder lerten, von
inen außschlüssen, so wir noch rups und raps durcheinander müssen gon
lassen. Zum dritten waren die Christen dazumal mit keiner irthumb
73. Vgl. J.Endriß: Das Ulmer Reformationsjahr 1531, a.a.O. S. 53 und S.66f.
74. Vgl. insbesondere W. Maurer: Gemeindezucht, Gemeindeamt, Konfirmation .
Eine hessische Säkularerinnerung, Schriftenreihe des Pfarrvereins Kurhessen-Waldeck,
Bd.2, Kassel 1940, bes.S.9ff.
75. Vgl. R.Ley: Kirchenzucht bei Zwingli, Quellen und Abhandlungen zur Ge-
schichte des schweizerischen Protestantismus, Bd.2, Zürich 1948.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften