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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 4): Zur auswärtigen Wirksamkeit: 1528 - 1533 — Gütersloh, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.29141#0205

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ULMER KIRCHENORDNUNG

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ein günstigeres Ergebnis erhofft hatte), so hat sich Bucer offensichtlich in
Ulm leidenschaftlich darum bemüht, mit der Ulmer Kirchenordnung
nun endlich dem wesentlichen Anliegen einer innergemeindlichen evan-
gelischen Kirchenzucht zum Durchbruch zu verhelfen.
Martin Bucer hat in seinem Ulmer Reformationsgutachten den Vor-
schlag gemacht, »acht bewerte, fromme, gotsforchtige, verstendige, eyfrige
menner« sollten als »diener christlicher zucht« zur Aufsicht des Gemeinde-
lebens gewählt werden und mit der Befugnis, den Bann - das heißt
Ausschluß von der Sakramentsgemeinschaft - gegebenenfalls auszu-
sprechen, versehen sein. Bucer schlug in seinem Gutachten vor, diese
acht Zuchtherren folgendermaßen zu wählen: Drei aus den Ratsmit-
gliedern, drei aus der Kirchengemeinde und zwei aus der Zahl der
Pfarrer. Damit hätte der Anteil der aus kirchlichen Gremien gewählten
»Diener christlicher zucht« überwogen81. Die endgültige Fassung der
Ulmer Kirchenordnung zeigt demgegenüber, daß es dem Ulmer Rat
darauf ankam, die Kommission zur Zuchtübung mindest paritätisch zu
besetzen, denn die Ulmer Kirchenordnung sieht vor, daß sich die acht
Mitglieder dieser Kommission zusammensetzen sollen aus »vier auß uns
ainem Rath, zwen von der gmayn und zwen von dienern des worts«82.
Noch deutlicher als hinsichtlich der Zusammensetzung der Kom-
mission ist die Differenz zwischen Martin Bucer und dem Ulmer Rat in
der Frage eines etwaigen Strafverfahrens zutage getreten. Bucer hatte in
seinem Gutachten vorgeschlagen, daß eine evtl. Bannung eines beson-
ders verstockten Sünders durch die Geistlichen von der Kanzel ausgespro-
chen werden sollte: »Und so er dürch den teuffel so gar geplendet, do vor
gott einen yeden Christen gnädiglich bewaren wölle, das an ym auch
diß nichts helffen wolte, solle er durch sy [sc. die Zuchtherren] durch den
diener des worts von offener Cantzel als einer, der die krafft christlichs
Lebens verleucknet und von Christo wider zum teuffel gefallen ist, auß-
geruffet und von christlichen gemein verstossen und außgeschlossen
werden mit solichem ernst und eyfer, das es der gantzen gmein ein
forcht bringen [möge] ...«83
Die vor- und übergeordnete Instanz des Rates für den Fall einer
solchen Bannung hat Bucer in einem Zusatz freilich zum Ausdruck
bringen müssen84. Die endgültige Fassung der Ulmer Kirchenordnung
betont die übergeordnete Stellung des Rates in der Zuchtfrage aus-
drücklich mit der Formulierung:
81. Vgl. unten S. 393 und E.-W. Kohls: Ein Abschnitt aus Martin Bucers Ent-
wurf, a.a.O. S.194, ebenfalls J.Endriß: Das Ulmer Reformationsjahr 1531, a.a.O.
bes. S. 54.
82. Vgl. unten den Abdruck bei Blatt D3b. 83. Vgl. unten S. 394.
84. Vgl.E.-W.Kohls: Ein Abschnitt aus Martin Bucers Entwurf, a.a.O. S. 195 und
unten S. 395.
 
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