HANDLUNG GEGEN HOFFMAN
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des samens oder des kornens, die andere der äher oder des baums. Also will er,
daß das wort Gottes an ihm selb fleysch worden seye, und derhalb seye in Christo
ein heyligs himlisches göttliches und doch wares leibliches, greyffliches und sicht-
liches fleysch Göttlich, |E2a| heylig und himlisch, dann es auß dem heyligen
5 geyst empfangen und geboren ist, leyblich, greyfflich und sichtlich, dann also ists
erschinen und haben es die Apostelen gesehen und begriffen.
Als aber nun die schrifft allenthalb Christum unseren Herren zeuget Abrahams
samen und Davids sun106 sein, sucht er wol erstlich die außflucht, Abraham und
David seyen figuren Gott des vatters und des heyligen geysts107und deren samen
10 und sun seye der Herr und die selbigen solle man durch Abraham und David ver-
stohn, und als sichs aber nit will also lassen der warheyt entwischen, sucht er die
ander außflucht und saget: Christus sey diser vätter, auch des weybs samen und
des menschen kind, wie Esaias [9,5] sagt, das diß kind und der sun und samen uns
geboren und zum erlöser geschencket seye. Als aber auch diß nit lauten wil, die
15 weil der Herr als auch die frucht der lenden Davids und des leybs Marie geheyssen
würt, sagt er: Dieweil das wort Gottes in Maria wol on alles ihr zuthun oder an-
nemen ihres fleyschs und bluts leyblich und fleyschlich worden seye, so werde es
auch die frucht ihres leybs und samen des weybs Abrahe, Davids und menschen-
kind geheyssen und habe doch nichs überal von ihrem fleysch und blut.
20 Diß ist des Hoffmans gedicht in disem handel, das er für das new Evangeli
so theür außschreyet.
Seine vermeynte gründe dises gedichts108 stond auff dreyen alefantzen109.
Das erst: Dieweil Johannes schreibt, das wort ist fleysch worden [1,14], will er
das wörtlin (worden) eben nemen, als so man sagt, das körnlin des samens ist ein
25 äher oder der kernen der frucht ist ein baum worden. Item wie er selb die gleich-
nuß gibt vom wasser, das der Herr auff der hochzeit zu wein machet110.
Das ander: dieweyl dasyenige, so in und von Maria geboren, der sun Gottes
geheyssen, im ware gotheyt allenthalb in der schrifft zugeben würdt, meynet er,
man sölle dis für unmöglich halten, das solicher sun Gottes solte des fleyschs und
30 bluts Marie sein und das selbige angenommen haben.
Das drit: Maria sey auß Adam geboren, des fleysch seye vollen sünden und
ungerecht, derhalb, wo der sun Gottes soliches hette angenommen, were es selb
ein verflucht fleysch und möchte er uns durch sein sterben in solichem fleyschs
106. Vgl.Mt 1,1; R.o 1,3.
107. Vgl.Anm. 72.
108. Erdichteten.
109. Betrügereien, Schlichen.
110. Jo 2,1-10; in den Straßburger Verhandlungen (Memorial vom 29.5.1533) verglich
Hoffman den Menschwerdungsvorgang mit der Wunderwirkung auf der Hochzeit zu Kana,
auf der Gottes Kraft aus Wasser Wein werden ließ, ohne daß vorhandener irdischer Wein ein-
gewirkt habe. Vgl. A.Hulshof: Geschiedenis van de Doopsgezinden te Straatsburg van 1525 tot
1557. Amsterdam 1905. S.III.
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des samens oder des kornens, die andere der äher oder des baums. Also will er,
daß das wort Gottes an ihm selb fleysch worden seye, und derhalb seye in Christo
ein heyligs himlisches göttliches und doch wares leibliches, greyffliches und sicht-
liches fleysch Göttlich, |E2a| heylig und himlisch, dann es auß dem heyligen
5 geyst empfangen und geboren ist, leyblich, greyfflich und sichtlich, dann also ists
erschinen und haben es die Apostelen gesehen und begriffen.
Als aber nun die schrifft allenthalb Christum unseren Herren zeuget Abrahams
samen und Davids sun106 sein, sucht er wol erstlich die außflucht, Abraham und
David seyen figuren Gott des vatters und des heyligen geysts107und deren samen
10 und sun seye der Herr und die selbigen solle man durch Abraham und David ver-
stohn, und als sichs aber nit will also lassen der warheyt entwischen, sucht er die
ander außflucht und saget: Christus sey diser vätter, auch des weybs samen und
des menschen kind, wie Esaias [9,5] sagt, das diß kind und der sun und samen uns
geboren und zum erlöser geschencket seye. Als aber auch diß nit lauten wil, die
15 weil der Herr als auch die frucht der lenden Davids und des leybs Marie geheyssen
würt, sagt er: Dieweil das wort Gottes in Maria wol on alles ihr zuthun oder an-
nemen ihres fleyschs und bluts leyblich und fleyschlich worden seye, so werde es
auch die frucht ihres leybs und samen des weybs Abrahe, Davids und menschen-
kind geheyssen und habe doch nichs überal von ihrem fleysch und blut.
20 Diß ist des Hoffmans gedicht in disem handel, das er für das new Evangeli
so theür außschreyet.
Seine vermeynte gründe dises gedichts108 stond auff dreyen alefantzen109.
Das erst: Dieweil Johannes schreibt, das wort ist fleysch worden [1,14], will er
das wörtlin (worden) eben nemen, als so man sagt, das körnlin des samens ist ein
25 äher oder der kernen der frucht ist ein baum worden. Item wie er selb die gleich-
nuß gibt vom wasser, das der Herr auff der hochzeit zu wein machet110.
Das ander: dieweyl dasyenige, so in und von Maria geboren, der sun Gottes
geheyssen, im ware gotheyt allenthalb in der schrifft zugeben würdt, meynet er,
man sölle dis für unmöglich halten, das solicher sun Gottes solte des fleyschs und
30 bluts Marie sein und das selbige angenommen haben.
Das drit: Maria sey auß Adam geboren, des fleysch seye vollen sünden und
ungerecht, derhalb, wo der sun Gottes soliches hette angenommen, were es selb
ein verflucht fleysch und möchte er uns durch sein sterben in solichem fleyschs
106. Vgl.Mt 1,1; R.o 1,3.
107. Vgl.Anm. 72.
108. Erdichteten.
109. Betrügereien, Schlichen.
110. Jo 2,1-10; in den Straßburger Verhandlungen (Memorial vom 29.5.1533) verglich
Hoffman den Menschwerdungsvorgang mit der Wunderwirkung auf der Hochzeit zu Kana,
auf der Gottes Kraft aus Wasser Wein werden ließ, ohne daß vorhandener irdischer Wein ein-
gewirkt habe. Vgl. A.Hulshof: Geschiedenis van de Doopsgezinden te Straatsburg van 1525 tot
1557. Amsterdam 1905. S.III.