VORWORT
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bringen und durch wenig Wichtiges nicht verwässern zu lassen. Der entsprechende
Briefband wird zu unserer Textauswahl einige Ergänzungen bieten.
Hinsichtlich der Wiedergabe der Texte ist hinzuzufügen: mit der o. g. Überlieferung
hängt es zusammen, daß oft kurze Gutachten mit einer sehr langen Liste von Textva-
rianten verbunden sind. Dies geschah nicht, um es dem heute so weit verbreiteten
Drang nach Perfektion gleichzutun, bei dem die formale Seite häufig die inhaltliche
überschattet oder gar verkürzt. In diesem Falle sollte vielmehr die Lebendigkeit und
Reichhaitigkeit der Überlieferung unterstrichen werden.
Vom zentralen Dokument, der Wittenberger Konkordie, fehlt uns jede Originalfas-
sung des vollständigen Textes, daher war es ebenso notwendig, alle Stränge der
Überlieferung zu erfassen.
Mit diesem Bande nehme ich Abschied von der Leitung der Edition der deutschen
Bucer-Schriften. Die Teilnahme an der Bucer-Forschung begann für mich Ende der
20er Jahre mit einer Lic.-Dissertation und erst recht seit Vorbereitung der Bucer-
Ausgabe 1951. Im Laufe von drei Jahrzehnten ist sie mir wichtig gewesen. Ich ver-
danke ihr mehr, als ich ihr geben konnte. Über alle Grenzen hinweg grüße ich die
sodalitas Buceriana.
Die Frage, was ein Editor zu leisten hat, beschäftigte mich in allen diesen Jahren.
Meine Absicht war es wohl, möglichst wenig schuldig zu bleiben. Verwirklichen ließ
sie sich nicht immer. Es war mir ein Trost, in einem Brief meines Lehrers Karl Holl die
Frage zu lesen: »Kann man es wirklich vom Herausgeber verlangen, daß er Queilenun-
tersuchungen anstellt und die letzte Quelle ausfindig macht?« (An A. Jülicher 28. Ok-
tober 1911. Universitätsbibliothek Marburg. Nachlaß Jülicher). Eine kritische Aus-
gabe hat einen einwandfreien Text zu bieten und dem Leser die Hilfe zu leisten, die er
zum Verständnis des Wortlauts braucht. Alles, was darüber hinausführt, liegt jenseits
dieser Grenze. Es ist eine moderne Irrlehre, daß eine Edition restlos alle Fragen zu
beantworten hat, die an den Text geknüpft werden können. Den Rezensenten, die sich
diesen Standpunkt zu eigen machen, möchte ich daher ins Stammbuch schreiben, was
Harnack einmal gesagt hat: Historia, quo accuratius, eo falsius narratur (Aus der
Werkstatt des Vollendeten. Gießen 1930. S. 200). Mit anderen Worten: Kleinmalerei
läßt die große Linie vermissen und steht der eigentlichen Forschung im Wege.
Münster (Westf.) 1985
Robert Stupperich
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bringen und durch wenig Wichtiges nicht verwässern zu lassen. Der entsprechende
Briefband wird zu unserer Textauswahl einige Ergänzungen bieten.
Hinsichtlich der Wiedergabe der Texte ist hinzuzufügen: mit der o. g. Überlieferung
hängt es zusammen, daß oft kurze Gutachten mit einer sehr langen Liste von Textva-
rianten verbunden sind. Dies geschah nicht, um es dem heute so weit verbreiteten
Drang nach Perfektion gleichzutun, bei dem die formale Seite häufig die inhaltliche
überschattet oder gar verkürzt. In diesem Falle sollte vielmehr die Lebendigkeit und
Reichhaitigkeit der Überlieferung unterstrichen werden.
Vom zentralen Dokument, der Wittenberger Konkordie, fehlt uns jede Originalfas-
sung des vollständigen Textes, daher war es ebenso notwendig, alle Stränge der
Überlieferung zu erfassen.
Mit diesem Bande nehme ich Abschied von der Leitung der Edition der deutschen
Bucer-Schriften. Die Teilnahme an der Bucer-Forschung begann für mich Ende der
20er Jahre mit einer Lic.-Dissertation und erst recht seit Vorbereitung der Bucer-
Ausgabe 1951. Im Laufe von drei Jahrzehnten ist sie mir wichtig gewesen. Ich ver-
danke ihr mehr, als ich ihr geben konnte. Über alle Grenzen hinweg grüße ich die
sodalitas Buceriana.
Die Frage, was ein Editor zu leisten hat, beschäftigte mich in allen diesen Jahren.
Meine Absicht war es wohl, möglichst wenig schuldig zu bleiben. Verwirklichen ließ
sie sich nicht immer. Es war mir ein Trost, in einem Brief meines Lehrers Karl Holl die
Frage zu lesen: »Kann man es wirklich vom Herausgeber verlangen, daß er Queilenun-
tersuchungen anstellt und die letzte Quelle ausfindig macht?« (An A. Jülicher 28. Ok-
tober 1911. Universitätsbibliothek Marburg. Nachlaß Jülicher). Eine kritische Aus-
gabe hat einen einwandfreien Text zu bieten und dem Leser die Hilfe zu leisten, die er
zum Verständnis des Wortlauts braucht. Alles, was darüber hinausführt, liegt jenseits
dieser Grenze. Es ist eine moderne Irrlehre, daß eine Edition restlos alle Fragen zu
beantworten hat, die an den Text geknüpft werden können. Den Rezensenten, die sich
diesen Standpunkt zu eigen machen, möchte ich daher ins Stammbuch schreiben, was
Harnack einmal gesagt hat: Historia, quo accuratius, eo falsius narratur (Aus der
Werkstatt des Vollendeten. Gießen 1930. S. 200). Mit anderen Worten: Kleinmalerei
läßt die große Linie vermissen und steht der eigentlichen Forschung im Wege.
Münster (Westf.) 1985
Robert Stupperich