EINLEITUNG
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rückhaltend, 2umal ihn der Kurfürst dazu ermahnt hatte". Er wollte die Oberdeut-
schen zuerst prüfen. Melanchthon schöpfte dagegen aufs neue Hoffnung.
Am Nachmittag des 22. Mai fand das erste Gespräch der Wittenberger mit Bucer
und Capito in Luthers Haus statt. Es waren von seiner Seite vertreten: Bugenhagen,
Jonas, Cruciger, Menius, Myconius, Weller und Rörer. Luther erklärte, man müsse
erst über das Sakrament einig werden, bisher habe er gute Hoffnung auf Verständi-
gung gehabt, aus den empfangenen Briefen aber ersehe er, daß das Abendmahl in
manchen oberdeutschen Städten noch immer in zwinglischem Sinn verstanden werde.
Er verwies auf den Zwingli-Briefwechsel, der mit Bucers Geleitwort soeben erschie-
nen war. Er erwarte, daß sie diese ihre frühere Lehre widerriefen. Er selbst wolle auch
erklären, daß er gegen Zwingli und Oecolampad zu hart gewesen sei100.
Das Gespräch begann daher in eisiger Atmosphäre. Bucer mußte sich bemühen, das
notwendige Vertrauen erst wiederzugewinnen und erklärte, sie seien gekommen in der
Annahme, daß Luther sein früheres Mißtrauen aufgegeben habe. Der Straßburger wies
darauf hin, daß seine Auffassung in vielen Schriften vorliege, und die Oberdeutschen
verwahrten sich dagegen, daß »unruhige« Leute anders über sie schrieben101. In vier
Punkten ging Bucer ausführlich auf Luthers Einwände ein, zuallererst auf den heiklen
Punkt der Herausgabe der Schweizer Schriften, Zwinglis »Fidei ratio« und dessen
Briefwechsel mit Oekolampad102, zum anderen auf den von Luther verlangten Wider-
ruf. Dazu seien sie grundsätzlich bereit, aber nie werde man ihnen nachweisen können,
sie hätten gelehrt, »das allein brot und wein jm heiligen Abendmal gegeben werde
.,.«103. Bucer wandte sich darauf kurz der Auslegung der Abendmahlsworte und der
damit verbundenen Problematik zu und erklärte zu diesem Punkt abschließend, »Sie
wollen aber alles das retractieren ... das in der lehre oder einiger person gefehlet
hette«104. Luthers Forderung, sie sollten nicht sagen, »das allein ein wortstreit zwi-
schen uns gewesen sei«, hielt Bucer zum dritten als seine Überzeugung entgegen, es
habe auf beiden Seiten Mißverständnisse gegeben. Irrtürmer solle man »verdammen,
aber damit personen verdammen, die uns solchs jrthumbs nie gestanden seien ..., das
kunten wir nicht thun ,..«105. Im vierten und letzten Punkt stellte Bucer zuerst sein
Abendmahlsverständnis klar heraus106 und behandelte darauf die in der Abendmahls-
kontroverse am meisten umstrittenen Fragen: das mündliche Essen, den Begriff der
unio sacramentalis107, die manducatio impiorum und das dieses Problem betreffende
Zeugnis Augustins108.
Am Nachmittag des 23. Mai wurde diese Diskussion in ihrer vielschichtigen Proble-
99. WABr 7, S. 411.
100. Köhler 2, S. 428.
101. An die fratres zubringen, Abs. 11; vgl. auch S. 144, Anm. 65.
102. Ebd., Abs. 12.
103. Ebd., Abs. 13.
104. Ebd., Abs. 16.
105. Ebd., Abs. 17.
106. Ebd., Abs. 18.
107. Ebd., Abs. 19.
108. Ebd., Abs. 20 und 21.
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rückhaltend, 2umal ihn der Kurfürst dazu ermahnt hatte". Er wollte die Oberdeut-
schen zuerst prüfen. Melanchthon schöpfte dagegen aufs neue Hoffnung.
Am Nachmittag des 22. Mai fand das erste Gespräch der Wittenberger mit Bucer
und Capito in Luthers Haus statt. Es waren von seiner Seite vertreten: Bugenhagen,
Jonas, Cruciger, Menius, Myconius, Weller und Rörer. Luther erklärte, man müsse
erst über das Sakrament einig werden, bisher habe er gute Hoffnung auf Verständi-
gung gehabt, aus den empfangenen Briefen aber ersehe er, daß das Abendmahl in
manchen oberdeutschen Städten noch immer in zwinglischem Sinn verstanden werde.
Er verwies auf den Zwingli-Briefwechsel, der mit Bucers Geleitwort soeben erschie-
nen war. Er erwarte, daß sie diese ihre frühere Lehre widerriefen. Er selbst wolle auch
erklären, daß er gegen Zwingli und Oecolampad zu hart gewesen sei100.
Das Gespräch begann daher in eisiger Atmosphäre. Bucer mußte sich bemühen, das
notwendige Vertrauen erst wiederzugewinnen und erklärte, sie seien gekommen in der
Annahme, daß Luther sein früheres Mißtrauen aufgegeben habe. Der Straßburger wies
darauf hin, daß seine Auffassung in vielen Schriften vorliege, und die Oberdeutschen
verwahrten sich dagegen, daß »unruhige« Leute anders über sie schrieben101. In vier
Punkten ging Bucer ausführlich auf Luthers Einwände ein, zuallererst auf den heiklen
Punkt der Herausgabe der Schweizer Schriften, Zwinglis »Fidei ratio« und dessen
Briefwechsel mit Oekolampad102, zum anderen auf den von Luther verlangten Wider-
ruf. Dazu seien sie grundsätzlich bereit, aber nie werde man ihnen nachweisen können,
sie hätten gelehrt, »das allein brot und wein jm heiligen Abendmal gegeben werde
.,.«103. Bucer wandte sich darauf kurz der Auslegung der Abendmahlsworte und der
damit verbundenen Problematik zu und erklärte zu diesem Punkt abschließend, »Sie
wollen aber alles das retractieren ... das in der lehre oder einiger person gefehlet
hette«104. Luthers Forderung, sie sollten nicht sagen, »das allein ein wortstreit zwi-
schen uns gewesen sei«, hielt Bucer zum dritten als seine Überzeugung entgegen, es
habe auf beiden Seiten Mißverständnisse gegeben. Irrtürmer solle man »verdammen,
aber damit personen verdammen, die uns solchs jrthumbs nie gestanden seien ..., das
kunten wir nicht thun ,..«105. Im vierten und letzten Punkt stellte Bucer zuerst sein
Abendmahlsverständnis klar heraus106 und behandelte darauf die in der Abendmahls-
kontroverse am meisten umstrittenen Fragen: das mündliche Essen, den Begriff der
unio sacramentalis107, die manducatio impiorum und das dieses Problem betreffende
Zeugnis Augustins108.
Am Nachmittag des 23. Mai wurde diese Diskussion in ihrer vielschichtigen Proble-
99. WABr 7, S. 411.
100. Köhler 2, S. 428.
101. An die fratres zubringen, Abs. 11; vgl. auch S. 144, Anm. 65.
102. Ebd., Abs. 12.
103. Ebd., Abs. 13.
104. Ebd., Abs. 16.
105. Ebd., Abs. 17.
106. Ebd., Abs. 18.
107. Ebd., Abs. 19.
108. Ebd., Abs. 20 und 21.