RETRACTATIONES DEUTSCH (1537)
331
net warde, das ein tropus, das ist ein anderuerstandige122 red, in disen worten Das ist
mein leib were123.
Ich muß hieher auch setzen ein gantzen sendbrieue Johan. Oecolampadij, in wel-
chem er zeuget, das er da sein glauben offenbar dargebe vnd erklare. Der selbige brieff
lautet also124:
»Johannes Oecolampadius. N[omen], seinem bruder in christo gnad vnd frid von
gott dem vatter. Ich solte von dir geleret werden, mein bruder, so komest du zu mir
vnd so ich zu antwurten verziehe125, dringst du vff mich mit gwalt. Muß man nun aber
disen deinen gewalt also dulden? Ja, zwar in christo muß man in dulden, dann | 226 b |
diser gewalt ist freuntlich vnd bruderlich. Iedoch mit solchem gedinge°126 will ich
disen deinen gewalt gedulden, das mir gegen dir gleich so fil gepure vnd du mir deine
meinung hin wider auch zu erkennen gebest, wan du die meinen vernommen hast.
Wolan, so habe dir offenbar vnd hell, was ich glaube. Die sacramentlichen zeichen,
durch welche die sacramentlich zusag, durch die meine sund verzigen worden, bestä-
tigt vnd bekrefftiget wurt, vff das die selbige verheissung meinem schwachen gewissen
desto glaublicher werde, dise sacramentliche zeichen sind mir nit brot vnd wein. Dann
mich gotP nit an, welcherley brot vnd wein hie geprauchet werde, der ich grossere ding
suche, sonder ich frage nach dingen, die wunderbarlicher sind vnd auch krefftig mein
schwaches gemiet zubefestigen. Die selbigen ding aber sind anders nichts dann der leib
seib vnd das blut selb127, nit die figur des leibs oder des bluts, Sonder der leib, welcher
o) korr. aus: bedinge.
p) korr. aus: goht.
122. Im anderen, nämlich uneigentlichen Sinne zu verstehende.
123. Die Passivform der Formulierung ist betont vorsichtig. Obwohl Luther sich, besonders
in der Schrift >Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis< (1528) in verletzender Weise über die
»Tropisten« äußert, läßt er zur Erklärung der Einsetzungsworte den Tropus Synecdoche zu.
Schon 1525 hält er in der Schrift »Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und
Sakrament« (WA 18, S. 187, Z. i4ff.) den Gebrauch dieser »Figur« zur Auslegung der Schrift für
berechtigt: »... das ist wenn sie [die Schrift] eyn gantzes nennet und doch nur eyn teyl meynet, wie
sie thut, da sie das Israelische volck ein >eygenthum< heysst ...« Vgl. oben S. 59, Anm. 15 und
J. K'östlin: Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften. 5. neubearb. Aufl. v. G. Kawerau.
Bd. 2. Berlin 1903. S. 129. Vgl. auch das Marburger Religionsgespräch (1529) in: BDS 4,
S. 323 —364, bes. S. 345 f. Zum Begriff Tropus Synecdoche s. H. Lausberg: Handbuch der
literarischen Rhetorik. 2 Bde. München 1960. S. 572—577 und Melanchthons Verständnis des
Begriffes in: Melanchthons Werke in Auswahl. Hrsg. v. R. Stupperich, 2. Aufl. Bd. 5. Gütersloh
1983. S. 391 (Beilage II: Register).
124. E. Staehelin: Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Bd. 1. Leipzig 1927. Nr. 252,
S. 362f macht glaubwürdig, daß dieser Brief Oekolampads aus dem Jahre 1525 stammt und an
Nikolaus Prugner gerichtet ist. Vgl. Zwinglis und Oekolampads Briefwechsel. Basel 1536.
S. n6a/b. Zu Nikolaus Prugner vgl. Reformatorenlexikon, S. 172b
125. Zögere.
126. Unter der Voraussetzung.
127. Oekolampad sieht Christus hier als Ursakrament des Heils, eine Auffassung, die beson-
ders bei den Kirchenvätern vorhanden ist. Vgl. etwa Augustin: Epist. 187, 34; CSEL 57, S. 112:
»Non est aliud Dei sacramentum, nisi Christus.«; Leo der Große: Sermo 74,2; MSL 54, Sp. 398;
Ambrosius: Apologia prophetae David 12,58; MSL 14, Sp. 875.
331
net warde, das ein tropus, das ist ein anderuerstandige122 red, in disen worten Das ist
mein leib were123.
Ich muß hieher auch setzen ein gantzen sendbrieue Johan. Oecolampadij, in wel-
chem er zeuget, das er da sein glauben offenbar dargebe vnd erklare. Der selbige brieff
lautet also124:
»Johannes Oecolampadius. N[omen], seinem bruder in christo gnad vnd frid von
gott dem vatter. Ich solte von dir geleret werden, mein bruder, so komest du zu mir
vnd so ich zu antwurten verziehe125, dringst du vff mich mit gwalt. Muß man nun aber
disen deinen gewalt also dulden? Ja, zwar in christo muß man in dulden, dann | 226 b |
diser gewalt ist freuntlich vnd bruderlich. Iedoch mit solchem gedinge°126 will ich
disen deinen gewalt gedulden, das mir gegen dir gleich so fil gepure vnd du mir deine
meinung hin wider auch zu erkennen gebest, wan du die meinen vernommen hast.
Wolan, so habe dir offenbar vnd hell, was ich glaube. Die sacramentlichen zeichen,
durch welche die sacramentlich zusag, durch die meine sund verzigen worden, bestä-
tigt vnd bekrefftiget wurt, vff das die selbige verheissung meinem schwachen gewissen
desto glaublicher werde, dise sacramentliche zeichen sind mir nit brot vnd wein. Dann
mich gotP nit an, welcherley brot vnd wein hie geprauchet werde, der ich grossere ding
suche, sonder ich frage nach dingen, die wunderbarlicher sind vnd auch krefftig mein
schwaches gemiet zubefestigen. Die selbigen ding aber sind anders nichts dann der leib
seib vnd das blut selb127, nit die figur des leibs oder des bluts, Sonder der leib, welcher
o) korr. aus: bedinge.
p) korr. aus: goht.
122. Im anderen, nämlich uneigentlichen Sinne zu verstehende.
123. Die Passivform der Formulierung ist betont vorsichtig. Obwohl Luther sich, besonders
in der Schrift >Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis< (1528) in verletzender Weise über die
»Tropisten« äußert, läßt er zur Erklärung der Einsetzungsworte den Tropus Synecdoche zu.
Schon 1525 hält er in der Schrift »Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und
Sakrament« (WA 18, S. 187, Z. i4ff.) den Gebrauch dieser »Figur« zur Auslegung der Schrift für
berechtigt: »... das ist wenn sie [die Schrift] eyn gantzes nennet und doch nur eyn teyl meynet, wie
sie thut, da sie das Israelische volck ein >eygenthum< heysst ...« Vgl. oben S. 59, Anm. 15 und
J. K'östlin: Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften. 5. neubearb. Aufl. v. G. Kawerau.
Bd. 2. Berlin 1903. S. 129. Vgl. auch das Marburger Religionsgespräch (1529) in: BDS 4,
S. 323 —364, bes. S. 345 f. Zum Begriff Tropus Synecdoche s. H. Lausberg: Handbuch der
literarischen Rhetorik. 2 Bde. München 1960. S. 572—577 und Melanchthons Verständnis des
Begriffes in: Melanchthons Werke in Auswahl. Hrsg. v. R. Stupperich, 2. Aufl. Bd. 5. Gütersloh
1983. S. 391 (Beilage II: Register).
124. E. Staehelin: Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Bd. 1. Leipzig 1927. Nr. 252,
S. 362f macht glaubwürdig, daß dieser Brief Oekolampads aus dem Jahre 1525 stammt und an
Nikolaus Prugner gerichtet ist. Vgl. Zwinglis und Oekolampads Briefwechsel. Basel 1536.
S. n6a/b. Zu Nikolaus Prugner vgl. Reformatorenlexikon, S. 172b
125. Zögere.
126. Unter der Voraussetzung.
127. Oekolampad sieht Christus hier als Ursakrament des Heils, eine Auffassung, die beson-
ders bei den Kirchenvätern vorhanden ist. Vgl. etwa Augustin: Epist. 187, 34; CSEL 57, S. 112:
»Non est aliud Dei sacramentum, nisi Christus.«; Leo der Große: Sermo 74,2; MSL 54, Sp. 398;
Ambrosius: Apologia prophetae David 12,58; MSL 14, Sp. 875.