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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0039
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Einleitung

um erneut über die Klöster zu verhandeln. Möglicherweise wurde hier bereits die Schlussredaktion der
Ordnung vorgenommen33.
Die Klosterordnung umfasst drei Teile. Der erste beinhaltet Regeln für das Klosterleben in Männer-
konventen. Hier finden sich Ansätze zur Einrichtung von Klosterschulen, wie sie in der Klosterordung von
1556 (Nr. 36b) schließlich ausgeformt werden. Der zweite betrifft die Reformation der Frauenkonvente und
der letzte Teil regelt das Verfahren des Klosteraustritts der Konventualen34.
Die württembergische Klosterordnung von 1535 hat keinerlei Vorlagen. Sie ist in Anlage und Inhalt
singulär und gilt als eine der außergewöhnlichsten Leistungen der Reformation, weil sie sich nicht nur mit
organisatorisch-rechtlichen Maßnahmen befasste, sondern eine evangelische Neuordnung des Klosterlebens
anstrebte35.
Die Ordnung ist in mehreren handschriftlichen Exemplaren überliefert. Eines stammt aus dem Kloster
Bebenhausen (A), eine anderes aus Alpirsbach (D). Für zwei weitere Texte (B, C) lässt sich die Herkunft
nicht belegen36. Text A aus Bebenhausen wurde als Editionsvorlage verwendet, da sich seine Herkunft im
Gegensatz zu B und C eindeutig belegen lässt und weil er die meisten Übereinstimmungen mit diesen beiden
Texten hat, wohingegen D aus dem Kloster Alpirsbach die meisten Abweichungen zu den übrigen drei
Vorlagen aufweist37. Text D ist jedoch der einzige auf der Titelseite datierte Textzeuge: um ulrici [4. Juli]
Anno 1535 ußgangenn.
In Bebenhausen war die Klosterordnung bereits am 3. Juli 1535 bekannt38. In St. Georgen39, Herren-
alb40 und Denkendorf41 wurde sie von herzoglichen Kommissaren am 4., 5. und 6. Juli übergeben, die
übrigen Klöster erhielten sie bis Mitte des Monats42. Mit der Durchführung der Ordnung beauftragte der
Herzog eine Kommission, der auch einer der Superintendenten, entweder Ambrosius Blarer oder Erhard
Schnepf, angehörte. Die Klosterordnung wurde jedoch von den meisten Klöstern und Konventen abgelehnt
und das Ziel einer freiwilligen Selbstauflösung der Konvente somit nicht erreicht. Ab Herbst 1535 griff der
Herzog daher zu Zwangsmaßnahmen und setzte die Herausgabe von Wertgegenständen sowie die Vertrei-
bung der Mönche und Nonnen mit Waffengewalt durch. Mit Ausnahme der Klöster Zwiefalten und Königs-
bronn waren bis Ende 1536 sämtliche Männerkonvente säkularisiert43.
Besonders nachhaltig war der Widerstand unter den Frauenkonventen. Nur einzelne Konventualinnen
waren gegen ein Leibgeding bereit, ihr Kloster zu verlassen. Der Widerstand gründete in den fehlenden
standesgemäßen Lebensmöglichkeiten der vielfach adeligen oder vornehmen bürgerlichen Konventualinnen
außerhalb des Klosters. Aufgrund dieses familiären Hintergrunds zahlreicher Klosterfrauen vermied Herzog
Ulrich die strikte Durchsetzung der Klosterordnung und die rigorose Auflösung der Konvente. Er setzte
lediglich das Verbot durch, weitere Novizinnen aufzunehmen, so dass die Frauenklöster nach und nach
ausstarben.

33 Schiess, Briefwechsel I, Nr. 594, S. 701.
34 Rückert, Alte Christen -neue Christen, S. 73;
Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 218ff.;
Deetjen, So klagen wir, S. 33-36; ders., Studien,
S. 213-223; ders., Lorch, S. 76-115, bes. S. 84, 100
Anm. 42; Grube, Klöster, S. 139-150; Hartmann,
Schnepff, S. 45f.; Hermelink, Evangelische Kirche,
S. 64-70; Lang, Klosterschulen, S. 25-41; Pressel,
Blaurer, S. 359ff.; Rauscher, Reformationsgeschichte,
S. 125-134; Reformation in Württemberg, S. 283;
Schnurrer, Erläuterungen, S. 547ff.
35 Deetjen, So klagen wir, S. 34.
36 Auf dem Textzeugen D basiert der Druck bei Pressel,
Blaurer, S. 359-364.

37 Zu den verschiedenen Ausgaben siehe Deetjen, Stu-
dien, S. 421 Anm. 276.
38 HStA Stuttgart A 474 Urk. 84.
39 Rothenhäusler, Abteien und Stifte, Beil. 13 S. 258,
Nr. 12.
40 Von Weech, Herrenalb, S. 298f.; Sattler, Geschichte
des Herzogtums III, S. 72.
41 Heyd, Ulrich lll, S. 105; Schiess, Briefwechsel I,
Nr. 607 S. 711; Kämmerer, Reformation, S. 44f.
42 Deetjen, Studien, S. 422 Anm. 285, vgl. S. 214. Vgl.
ders., Lorch, S. 65f., 100 Anm. 42 und 43; S. 70ff., 107
Anm. 109.
43 Deetjen, Studien, S. 242ff.; ders., So klagen wir,
S. 36-41; Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte,
S. 219ff.

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