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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0052
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Württemberg

2. Die Reformation in Horburg-Reichenweier und Mömpelgard

a) Die linksrheinischen Gebiete Württembergs
Das Herzogtum Württemberg verfügte über einige linksrheinische Besitzungen, zu denen die elsässische
Grafschaft Horburg und die Herrschaft Reichenweier, die 1324 an Württemberg gekommen waren, gehör-
ten. In Horburg und Reichenweier regierte seit 1513 Ulrichs jüngerer Halbbruder Graf Georg153. 1520
gelangten diese Gebiete ebenso wie das Herzogtum unter habsburgische Oberhoheit, aber mit Herzog
Ulrichs Restitution 1534 gewann auch Graf Georg seine Herrschaft über Horburg-Reichenweier wieder
zurück.
Die Grafschaft Mömpelgard war 1397 durch Henriette von Mömpelgard, die Gemahlin Eberhards IV.
(1417-1419), an Württemberg gefallen und wurde bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts durch
weitere burgundische Lehen abgerundet. 1534 war die Grafschaft kurzzeitig an Frankreich verpfändet,
wurde aber bereits 1535 zusammen mit Württemberg wieder in Personalunion regiert. Graf Georg war von
1526 bis 1542 der erste Statthalter in Mömpelgard, anschließend bis 1550 Herzog Ulrichs Sohn Christoph.

b) Von der Einführung der Reformation bis zum Interim
Um das Jahr 1525 war in Horburg und Reichenweier eine erste evangelische Bewegung entstanden, die
durch den Reichenweirer Pfarrer Peter Reis154 getragen wurde, der die Stadt infolge von Auseinanderset-
zungen mit dem Magistrat jedoch bald wieder verlassen musste155. Nach der gewaltsamen Rückeroberung
des Herzogtums durch Herzog Ulrich 1534 wurden auch Graf Georg 1535 die linksrheinischen Gebiete
Württembergs erneut übertragen. Während das Herzogtum in lutherische Richtung schwenkte, blieb Graf
Georg, der nicht an den Kaadener Vertrag gebunden war, seiner oberdeutsch geprägten Glaubensauffassung
treu und forcierte die Reformation nach schweizerischem Muster. Durch seine Verbindung zum Straßburger
Münsterprediger Kaspar Hedio wurden Theologen der Straßburg-Zürcher Richtung herbeigerufen.
Zunächst verkündete Nikolaus König (Regius)156 das Evangelium in Horburg und Reichenweier. Von 1535
bis 1537 wirkten Erasmus Schmidt (Fabricius) aus Zürich157, anschließend bis 1560 Matthias Erb158, zuvor
Rektor der Lateinschule in Gengenbach, als Reformatoren in Reichenweier159.
Die lutherisch ausgerichtete württembergische Kirchenordnung von 1536 wurde in Horburg-Reichen-
weier zunächst nicht eingeführt. Stattdessen verfasste Matthias Erb 1538 eine eigenständige Ordnung der
kirchlichen Verhältnisse nach zwinglianischem Vorbild. Diese Kirchenordnung für Reichenweier ist nicht
überliefert. Ihre Existenz geht jedoch aus einer Eingabe Matthias Erbs vom 17. März 1560 an die Vor-
münder Graf Georgs hervor160. In dieser Ordnung wird die Abschaffung der Messfeier und die Rückführung
des Kultus auf die schlichte oberdeutsche Form angeordnet. Besonderes Kennzeichen dieser schweizerisch
geprägten Kirchenordnung war die Verknüpfung der kirchlichen Erneuerung mit Maßnahmen zur Kirchen-
und Sittenzucht.
153 Zu Graf Georg siehe Debard, Georg (I.), S. 126-127;
Rocholl, Herzog Georg, S. 475-482, 512-522, 561-578;
ADB 8, S. 709.
154 Zu Peter Reis siehe Bopp, Geistliche, S. 432.
155 Adam, Kirchengeschichte, S. 293ff.
156 Zu Nikolaus König (Regius) siehe Bopp, Geistliche,
S. 302. Vgl. Adam, Kirchengeschichte, S. 295.
157 Zu Erasmus Schmidt (Fabricius) siehe Bopp, Geistliche,
S.147.

158 Zu Matthias Erb siehe Rocholl, Matthias Erb,
S. 3-36; Röhrich, Mitteilungen III, S. 275-295; Bopp,
Geistliche, S. 140f.
159 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 269;
Brendle, Einführung, S. 145-151, bes. S. 149; Röh-
rich, Matthias Erb, S. 275-295; Rocholl, Matthias
Erb, S. 3-36.
160 Röhrich, Matthias Erb, S. 290.

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