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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0053
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Einleitung

Neben diese erste Kirchenordnung trat der Katechismus für Reichenweier, in dem Matthias Erb die
zwinglianische Theologie gegenüber dem württembergisch-lutherischen Einfluss zu bewahren suchte161. Für
die Ausarbeitung verwendete er den Brenzschen Katechismus, den Kleinen Katechismus Luthers, den
Kürzeren Katechismus Leo Juds162 sowie Thomas Lindners163 Gengenbacher Katechismus. Mit der Einbin-
dung des brenzschen Katechismus gelang es Erb, seinem Werk den Anschein einer Anlehnung an die würt-
tembergisch-lutherische Linie zu geben, tatsächlich jedoch bei seiner zwinglianischen Auffassung zu blei-
ben164. Das Original des Katechismus von 1543 ist nicht nachweisbar. Aus der Vorrede der Ausgabe von
1547 lässt sich jedoch schließen, dass die Erstausgabe am 10. Februar 1543 im Druck erschienen ist165.
Der Katechismus für Reichenweier erfuhr mehrere Auflagen. Neben der von 1547166 wurden 1559 und
schließlich 1560 weitere Ausgaben bei Georg Messerschmidt in Straßburg gedruckt167. Die Neuauflage von
1559 war das letzte große Werk des Matthias Erb in Reichenweier, bevor er 1561 nach Rappoltsweiler
übersiedelte. Die Auflage von 1560 wurde vermutlich schon nicht mehr von Erb selbst besorgt, sondern von
seinem Nachfolger Nikolaus Cancerinus168.

21. Zuchtordnung für Horburg und Reichenweier 1. Januar 1546 (Text S. 171)
Neben dem eigenständigen Katechismus erschien 1546 eine Zuchtordnung für Reichenweier. Bis dahin
waren zahlreiche einzelne Mandate erlassen worden, die alljährlich öffentlich verlesen wurden. Diese Man-
date, die sich gegen Gotteslästerung, Trunksucht, Ehebruch, Hurerei, Spiel, Wallfahrten, Teufelsbeschwö-
rer, Messfeiern sowie gegen die Täufer richteten, fasste Matthias Erb für seine Zuchtordnung in gekürzter
Form zusammen und veröffentlichte sie am 1. Januar 1546. Diese Artikel zeigen ebenfalls die zwinglianisch
geprägte enge Verbindung von Kirchen- und Sittenzucht, die bereits bei der Reichenweirer Kirchenordnung
von 1538 festzustellen war.
Die Zuchtordnung behielt zwar auch unter den Nachfolgern Graf Georgs Gültigkeit, hatte jedoch offen-
sichtlich nicht ganz den gewünschten Erfolg, wie aus Klagen über den Verfall der Sitten in einem Brief von
Matthias Erb an Heinrich Bullinger vom 10. Februar 1548 hervorgeht169.
Trotz der territorialen Verbindung zum lutherischen Herzogtum Württemberg konnte die Reformation
in Horburg und Reichenweier ihren eindeutig schweizerisch-reformierten Charakter zunächst beibehalten.
Erst 1559/60 erzwangen die württembergischen Herzöge die Übernahme der lutherisch-württembergischen
Kirchenordnung auch in den linksrheinischen Landesteilen170.

Ebenso wie in Horburg und Reichenweier zeigten sich auch in Mömpelgard bereits in den 1520er Jahren
erste Ansätze evangelischer Glaubenslehre. Seit 1524 wurde sie durch den aus der Dauphine stammenden
Theologen Guillaume Farel171 verbreitet. Farel hing der neuen Lehre seit 1521 an, war Wanderprediger in
Frankreich gewesen und ließ sich 1523 in Basel nieder. Wegen seines Zerwürfnisses mit Erasmus von Rot-

161 Kohls, Ravensburg und Reichenweier, S. 101; Reu,
Katechismen, S. 21f.
162 Zu Leo Jud siehe RGG4 4, Sp. 596f., zu seinem Katechis-
mus siehe Lang, Heidelberger Katechismus, S. 53-116.
163 Zu Thomas Lindner (Tilianus) siehe Kohls, Evangeli-
sche Bewegung, S. 19; ders., Gengenbach, S. 9.
164 Kohls, Ravensburg und Reichenweier, S. 109.
165 Kohls, Ravensburg und Reichenweier, S. 102, 107f.,
112.
166 Druck: Kohls, Ravensburg und Reichenweier,
S. 111-128; vgl. Bolchert, Evangelische Katechismen,
S.102-105.

167 Kohls, Neuentdeckter Katechismus, S. 144, 156-163.
168 Zu Nikolaus Cancerinus siehe Bopp, Geistliche, S. 310.
169 Brendle, Einführung, S. 149ff.; Adam, Kirchenge-
schichte, S. 300-303.
170 Siehe S. 66ff.
171 Zu Guillaume Farel siehe Barthel, Actes I, S. 1-277;
I1, S. 145; Fatio, Art. Farel, in: TRE 11, S. 30-36. Zu
den Anfängen der Reformation in Mömpelgard siehe
Viénot, Vie ecclésiastique, S. V-VIII; Jacobs, Abend-
mahlslehre, S. 162f.

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