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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0062
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Württemberg

chenordnung bezeichnet, offensichtlich in Abgrenzung zu dem umfangreichen Gesetzeswerk, das 1559
erschien und als Große Kirchenordnung bezeichnet wurde. In der Form der Ausgabe von 1615, die keine
wesentlichen Neuerungen mehr aufweist, blieb die Kirchenordnung von 1553 bis ins 18. Jahrhundert die
gültige Grundlage des gesamten gottesdienstlichen Lebens in Württemberg.
Die zahlreichen Neuauflagen der Kirchenordnung von 1553 waren notwendig geworden, da diese Ord-
nung mit ihrem in oberdeutscher Tradition stehenden Predigtgottesdienst und ihrer ansonsten lutherischen
Ausprägung einen Charakter besaß, der in zahlreichen südwestdeutschen Territorien Anhänger fand224. Als
Ganzes wurde die Kirchenordnung um 1555 in der Grafschaft Limpurg225, 1556 in Baden226 sowie 1558 in
der Grafschaft Oettingen227 übernommen. Auch die Kirchenordnung für die Kurpfalz228 von 1556 ist ein fast
wörtlicher Abdruck der württembergischen Ordnung von 1553; ebendo geht die Kirchenordnung für Pfalz-
Neuburg229 von 1554 auf die württembergische Kirchenordnung zurück. Auch für die Gottesdienstfeier in
Worms230 1560 war Württemberg das Vorbild. Weite Teile wurden auch in die Ordnung für die Grafschaft
Leiningen231 1566 aufgenommen, in die für Hanau-Lichtenberg 1573 sowie die der Städte Ulm, Isny, Mem-
mingen und Lindau232.
Bei der Formulierung der Kirchenordnung für die Reichsstadt Kempten233 1553 griff Primus Truber
ebenso auf die württembergische Ordnung von 1553 zurück wie für seine slowenische Kirchenordnung234 von
1564. Der steierische Adlige Hans Ungnad von Sonnegg (1493-1564)235, der in Urach eine Druckerei betrieb,
fertigte eine Übersetzung der Gottesdienstordnung ins Kroatische an, die in einer Auflage von ca. 400 Ex-
emplaren erschien236. Die Übersetzung war für die Herzogtümer Steiermark, Kärnten und Krain in Inner-
österreich von Bedeutung237. Auch die schwedische Kirchenordnung von 1571 orientierte sich an der würt-
tembergischen Vorlage238.

30. Eheordnung [1. Januar] 1553 (Text S. 277)
Nach Ende des Interims 1552 bedurfte es auch der Neuregelung in Eherechtsfragen. Herzog Christoph
stützte sich hierfür auf die Ordnung seines Vaters von 1536, die er in weiten Teilen überarbeiten ließ. Im
Sommer 1551 sandte er den beiden Juristen Bonifacius Amerbach239 in Basel und Johann Sichard240 in
Tübingen jeweils ein Exemplar der Ordnung zu und forderte Gutachten von ihnen ein. Am 15. September

224 Vgl. Leiturgia III, S. 50.
225 Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 108; vgl.
Teil „Limpurg“, Einleitung, S. 584.
226 Siehe Teil „Baden“ Nr. 5; vgl. Reformation in Württem-
berg, S. 317; Waldenmaier, Gottesdienstordnungen,
S. 107.
227 Sehling, EKO XII, S. 399.
228 Sehling, EKO XIV, S. 113-182; vgl. Ernst, Brief-
wechsel II, Nr. 320 S. 274, Nr. 751 S. 622; Reformation
in Württemberg, S. 317; Waldenmaier, Gottesdienst-
ordnungen, S.107.
229 Sehling, EKO XIV, S. 24.
230 Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 108.
231 Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 109.
232 Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 109-114.
233 Sehling, EKO XII, S. 175ff.
234 Druck: Trubar Cerkovnar ordninga. Vgl. Ehmer, Pri-
mus Truber, S. 448f.; Brecht/Ehmer, Reformations-
geschichte, S. 417ff.; Weismann, Kirchenordnung,
S. 197-210, bes. S. 205ff.; Amon, Innerösterreich,

S. 109f.; Kidrič, Kirchenordnung, S. 32, 49, 88, 91;
Raeder, Christoph, S. 63. Vgl. Nr. 42.
235 Zu Hans von Ungnad siehe Benzing, Buchdrucker,
S. 474.
236 Meyer, Primus Truber, S. 62-100, bes. S. 83; vgl. Ru-
pel, Primus Truber, S. 201-217, 295; Ehmer, Primus
Truber, S. 438-451; Weismann, Kirchenordnung,
S. 201f.; Reyscher, Gesetze VIII, S. 167 Anm. 67;
Sattler, Geschichte des Herzogtums IV, S. 203;
Schreiner, Uracher Druckerei, S. 217-236; Benz,
Hans von Ungnad, S. 387-475.
237 Vgl. Loesche, Kirchenordnungen (1920), S. 209-230,
277-300; (1921), S. 35-55, 121-154; Wieland, Refor-
mation, S. 77-80.
238 Färnström, Kyrkoordning, S. 195-280; vgl. Jarlert,
Art. Schweden II, in: TRE 30, S. 653f.
239 Zu Bonifacius Amerbach siehe NDB 1, S. 247.
240 Zu Johann Sichard siehe Kisch, Sichardus, S. 1-72;
Deetjen, Studien, S. 51.

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