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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0071
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Einleitung

In der Vorrede betonte Herzog Christoph die Bedeutung von Visitationen, um die Umsetzung erlassener
Ordnungen zu überwachen. Für die Bereisung wurde das Herzogtum in einen nördlichen und einen südli-
chen Bezirk aufgeteilt. In jeden sollte je ein Visitator aus dem Adel, aus dem Kirchenrat sowie ein Theologe
entsandt werden. Diese Kommissionen sollten sämtliche weltlichen und geistlichen Personen des öffentli-
chen Lebens zu Lehre und Lebenswandel befragen, Erkundigungen über Klöster und Spitäler einziehen
sowie auf die Einhaltung der verfügten Ordnungen achten. Die Visitationsordnung beinhaltet ferner einen
Fragenkatalog für Täufer, der auch als separater Text überliefert ist309. Außerdem wird verfügt, dass in
sämtlichen Pfarreien Taufbücher angelegt werden sollen. Anlass hierfür war zum einen der Kampf gegen die
Täufer, zum andern die Kontrolle über das zulässige Heiratsalter.
Zur Visitationsordnung von 1557 sind zwei kleine Vorarbeiten überliefert. Es handelt sich zunächst um
ein undatiertes Textfragment, das mit a überschrieben und damit als Anhang oder Einschub eines anderen
Textes gekennzeichnet ist. Das Schriftstück umfasst zwei Passagen, die in der Visitationsordnung von 1557
wortgetreu wiederkehren, zum einen im Abschnitt zur Besetzung von Gericht und Rat sowie zu Sekten
(fol. 12r-13r), und zum andern im Abschnitt zur Anlage von Taufbüchern (fol. 20r-21r).
Einzelne Taufbücher waren bereits vor 1557 angelegt worden310. Württemberg folgte hierin offenbar
dem Vorbild der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach und der Stadt Nürnberg, wo Taufmatrikel bereits
seit 1533 vorgeschrieben waren311. Die Umsetzung der herzoglichen Forderung nach Taufbüchern in der
Visitationsordnung von 1557 erfolgte erst im darauffolgenden Jahr. Es sind mehrere Belege überliefert,
wonach die Aufforderung im Frühjahr 1558 noch einmal gesondert erlassen worden ist. Einer dieser Befehle
stammt vom 18. März 1558, wie aus einer Notiz im Strümpfelbacher Kirchenbuch hervorgeht. Hiernach
sollte in jeder Pfarrei bis zum 24. Juni 1558 ein Taufbuch angelegt werden312. Ein Vermerk im Taufbuch von
Öschelbronn unterstreicht den Beginn der Aufzeichnungen in diesem Jahr: dieses Taufbuch ist angefangen
worden, alß Hertzog Christoph die taufbücher anno 1558 das erstemahl im land einführte und zu Böblingen den
anfang machte, da sonsten im papsttum sie nicht üblich waren313.
Der gesamte Text des mit a bezeichneten Fragments ist identisch mit dem Anfang der zweiten Vorarbeit
zur Visitationsordnung von 1557: Articul, so in die visitationsordnung gehörn. Bei diesem Text handelt es sich
um eine nicht datierte Abschrift mit Korrekturen. Das Schreiben ist an die Visitatoren gerichtet und
fordert diese neben der Anlage von Taufbüchern zur Kontrolle des Lebenswandels der einzelnen Gemein-
demitglieder auf. Einige Passagen dieser Articul erscheinen wörtlich in der Visitationsordnung von 1557,
andere lediglich sinngemäß.
Von der württembergischen Visitationsordnung von 1557 erhielten offenbar auch die Fürsten anderer
Territorien Kenntnis, denn nach einem Brief Jakob Andreäs an Herzog Christoph vom 26. März 1558 sollte
die Ordnung auch in der Grafschaft Oettingen eingeführt werden314.

309 HStA Stuttgart A 63 Bü 23. Vgl. A 63 Bü 16. Druck:
Bossert, Wiedertäufer, Nr. 200 S. 187-195.
310 Bossert, Tauf- und Ehebücher, S. 45-56; Duncker,
Kirchenbücher (1938), S. XlVf.
311 Sehling, EKO XI/1, S. 174, 281.
312 Bossert, Kirchenbücher, S. 54; vgl. ders., Tauf- und
Ehebücher, S. 52; Duncker, Kirchenbücher (1938),
S. XVf.

313 Zitiert nach Sägmüller, Kirchenbücher, S. 211; vgl.
Müller, Kirchenbücher, S. 712; Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 320; Bossert, Tauf- und
Ehebücher, S. 46.
314 Ernst, Briefwechsel IV, Nr. 401 S. 501. Zu den Kir-
chenordnungen der Grafschaft Oettingen vgl. Sehling,
EKO XII, S. 395-407; Waldenmaier, Gottesdienst-
ordnungen, S.109.

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