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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0084
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Württemberg

Nach dem Tod Graf Georgs beschloss die Vormundschaftsregierung seines Sohnes Friedrich, bestehend
aus Herzog Christoph von Württemberg, Herzog Wolfgang von Zweibrücken sowie Graf Philipp IV. von
Hanau-Lichtenberg, die Reformation in den linksrheinischen Landen nach württembergisch-lutherischem
Vorbild durchzusetzen.

Die Kirchenordnung für Mömpelgard und Reichenweier 17. März 1560 (Text siehe Nr. 29, S. 223)
Um die Reformation voranzutreiben, wurde im Frühsommer 1559 von Württemberg aus eine umfassende
Kirchenvisitation in den linksrheinischen Landesteilen durchgeführt. Die achtköpfige Kommission hielt
sich vom 16. bis 27. Mai in Mömpelgard und vom 30. Mai bis 2. Juni in Horburg-Reichenweier auf. Auf
Anordnung der Visitatoren mussten in jeder Pfarrei ein Exemplar der Confessio Augustana, des Sächsischen
sowie des Württembergischen Bekenntnisses, Melanchthons Loci communes sowie eine vermutlich deutsch-
oder landessprachliche Bibel angeschafft werden. Im Anschluss an die Visitation berief die Vormundschafts-
regierung am 1. September 1559 im badischen Lichtenau eine Zusammenkunft der Theologen und Regie-
rungsbeamten ein und beauftragte diese, für Mömpelgard und Reichenweier eine Kirchenordnung in deut-
scher Sprache zu entwerfen416. Zu dieser Kommission gehörten auch Jakob Andreä, der Pfarrer Konrad
Flinsbach aus Zweibrücken417, Theobald Groscher sowie der Straßburger Syndikus Michel Hahn. Die von
diesem Gremium errichtete Kirchenordnung wurde in Anlehnung an die württembergische Große Kirchen-
ordnung von 1559 verfasst und erschien 1560 im Druck.
Daneben hatte Herzog Christoph Ende 1559 eine Übersetzung der Mömpelgarder Ordnung ins Latei-
nische vornehmen lassen418, da der Mömpelgarder Klerus der deutschen Sprache vielfach nicht mächtig
war. Hierfür hatte er den Stuttgarter Pfarrer Thomas Naogeorgus (Kirchmeyer)419 gewinnen können. Das
Ergebnis der Übersetzung sagte Christoph jedoch nicht zu. Er bat deshalb Balthasar Bidembach um eine
Überarbeitung, die dieser jedoch ablehnte420. Schließlich nahm Dietrich Schnepf421 einige Korrekturen vor.
Die lateinische Ordnung erschien ebenfalls 1560 unter dem Titel: Ordinatio ecclesiastica comitatus et ditionis
Montbelgardensis et Richenwilensis, et statuta huic affinia422.
Die Mömpelgarder Kirchenordnung beinhaltet die württembergische Kastenordnung von 1552, Kirchen-
und Eheordnung von 1553 (Nr. 28-30) sowie die Abschnitte aus der Großen Kirchenordnung von 1559 zu
den Partikularschulen (ohne den Abschnitt Ordinatio des Pedagogii zu Stutgarten), den deutschen Schulen
(ohne den Abschnitt Schreiberei und Rechenschule), zur Kirchendieneranstellung (Nr. 42a), zur Visitation
der Superintendenten (Nr. 42d), zur Kirchenzensur (Nr. 42g) und zum Konvent der Superintendenten
(42h). Die Mömpelgarder Ordnung verzichtete dabei auf sämtliche Passagen, die sich ausschließlich auf
Württemberg bezogen, einschließlich der Confessio Virtembergica. Ebenso wurden sämtliche Personalpro-
nomen (unser, uns) entpersonalisiert und durch Artikel (die, den) ersetzt.
Die Kirchenordnung wurde im Frühjahr 1560 offiziell verkündet, in Mömpelgard am 29. Februar, in
Horburg-Reichenweier am 7. März423. Sie traf jedoch vor allem in Horburg und Reichenweier auf Wider-

416 Cuno, Daniel Tossanus, S. 17; Adam, Kirchenge-
schichte, S. 310.
417 Zu Konrad Flinsbach siehe Biundo, Pfarrer- und Schul-
meisterbuch, S. 674; Brecht/Ehmer, Reformations-
geschichte, S. 268; Viénot, Montbéliard I, S. 212.
418 Das Konzept des Dekrets zur Übersetzung der Großen
württembergischen Kirchenordnung von 1559 stammt
vom 24. November 1559, HStA Stuttgart A 63 Bü 25.
Vgl. Württemberg und Mömpelgard, S. 34.

419 Zu Thomas Naogeorgus (Kirchmeyer) siehe RGG4 6,
Sp. 49; Friedrich, Kirchmair, S. 83-140, bes. S. 109ff.
420 Brief Herzog Christophs an Balthasar Bidembach vom
12. Oktober 1559, Archives Nationales Paris, Serie
K 2179; vgl. Viénot, Montbéliard II, S. 325.
421 Zu Dietrich Schnepf, siehe S. 61 Anm. 378.
422 Württ. Landesbib. Stuttgart Kirch. R. qt. 385. Vgl.
Viénot, Montbéliard II, S. 325.
423 Cuno, Daniel Tossanus, S. 17; Rocholl, Matthias
Erb, S. 19. Vgl. auch den Brief Brenz’ an Johann Mar-

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