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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0103
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5. Entwurf einer Eheordnung 1535

Auch mit disem zusatz, so sich hierüber begebe,
das sich ein kind on vorwissen und verwilligung der
eltern oder ordenlichen pflegern mit einem andern
uber diß mandat eelich verbunde, so sollen sich die
Jungen nicht selbs schayden, noch die eltern oder
pfleger macht haben zu schayden, sonder beyd par-
they fur die verordneten eerichter gewisen werden
und allda irer sach ein außtrag erholen. Wan dan die
partheyen für die Eerichter komen, so erfordert das
Recht und billigkeit, das alsdan nicht allein das blos
verhayssen und versprechen der contrahierenden
personen, sonder vill mer umbstender und anhenger
des verhaissen bedacht und nach derselben art und
natur geurteylt werde. | 258v | Dan wo die sach also
gestalt, wie droben erzelt, das eins Jungen eelich
verbundnus zu dem andern on verwilligung der el-
tern mit losen, hinderlistigen umbstenden behengt
were, nemlich das der sun oder dochter betruglich
hinderm wein verfüret, durch boß Cuplerey oder
dergleichen falsch schmeichlerey zur eelichen ver-
bundtnus gezogen, unnd darneben die eltern das
kind fleyssig aufferzogen, kein versaumnus an dem
kind bewerlich getriben und das kind noch under
funff unnd zwentzig Jar seins alters und, so es ein
dochter, nicht von der gegen partey beschlaffen ist,
sich auch widderumb freywilliglich in der eltern ge-
horsam begibt, so solle unangesehen des blossen
glubts und eelich verpflichtung das kind den Eltern
hemgesprochen werden.
Herwiderumb megen so wichtig und ansehenlich
umbstendt mit der eelichen verbuntnus einlauffen,
das das kind auch wider den willen der eltern dem
verlobten zu geurteylt werden soll, wie derselben fell
etlich vorhin angezaigt sein.
So ist auch in solchen sachen der pfleger, so nach
abgang der Eltern den kindern zugeordnet, einred
nicht so hoch unnd furtrefflich als der rechten noch
lebenden Eltern widersprechenung zubedencken.
Dan ob woll billich, das ein pfleg dochter die bewil-
ligung ires pflegers zum eelichen hayradt erfordere
und erlange, yedoch, wann der pfleger sich in ab-

7 Vgl. Lev 18,6-18.
8 Vgl. Decr. Grat. II, C. 35, q. 1-10, besonders q. 5,

treybung eins redlichen hayrads verdechtlich ge-
macht hette oder sich im werck erfinde, das die pfleg
dochter sich mit einem erbarn, redlichen gsellen ver-
hayradt hette, als dan solte dem pfleger die ee ab-
zutreiben nicht gestattet werden, noch weniger solte
im zugelassen werden, so er sein pflegkind (das noch
under fünff und zwentzig Jaren were) seinem eeli-
chen kinde, ehe dan er seiner vormundschaft rech-
nung gethon und daruber ein Jar verschinen, zur
Ehe zu geben, etc. | 259r |
Der ander Artickell: In welchen gradibus oder glider
der Sypschafft und magschafft der eelich contract
zugelassen werden soll.
Antwort: Die gradus oder glider des eelichen ver-
hayratten betreffend, wollen etlich nach dem gsatz
Mosi7, etlich nach dem kayserlichen, etlich nach
dem babstlichen Rechten urteylen.
Aber nach dem Mose als ein weltlicher magistrat
die teutschen, so under der policey des Romischen
Reichs seyen, nichts angeth, so sollen die gradus
consanguinitatis und affinitatis in dem eelichen con-
tract nach kayserlichem rechten, so in solchen fallen
gotlich ordnung genant, gehaltenn werden. Hierin
tregt sich nun ein streyt zu: Dieweyl die kayserli-
chen recht sich in disen fellen dem babstlichen un-
derwurfflich machen, ob hiemit auch die bapstlichen
Recht fur kayserlich geacht und derohalben als
gottlich ordnung gehalten sollen werden.
Darauff ist zu bedencken:
Zum ersten, das die satzungen, darin die person
bis in quartum gradum nach bapstlichem Rech-
ten8 zum hayradt verbotten seyen, ongeverlichkeit
der gwissen wol gehalten mogen werden, dieweyl
doch die menge der ungefreunten und unverwanten
personen so uber flussig fur handen ist, das nie-
mands, so sich verhayratten will, diser satzungen
halb on Ee bleyben darff.
Zum andern, das das kayserlich recht außdruck-
lich sagt, si quis ex his, quos moribus prohibemur
uxores ducere duxerit, | 259v | incestum dicitur com-

ClCan I, Sp. 1261-1288, bes. Sp. 1271-1277; Liber Ex-
tra, lib. 4, tit. 19, c. 8, ClCan II, Sp. 703f.

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