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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0493
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58. Mandat zur Kastenordnung 1614

Thüren, Item bey den Hochzeiten und Leichtver-
samblungen Büchsen und Beckin auffsetzen lassen
sollen.
Darneben aber sollen auch Ihr, die Kirchendie-
ner, hievor befohlner massen in Ewern Predigten
und Ihr, die Amptleut, in Vogtgerichten und andern
Versamblungen den Gemeinden mit allerhand noth-
wendigen Außführungen Vermahnung und Erinne-
rung thun, dieweil das offentlich umbher lauffen
und bettlen abgeschafft, daß jeder aus schuldiger
Brüderlicher Liebe unnd Mitleyden desto reichli-
cher stewren und zu erhaltung der Armen nach un-
sers Herren Christi selbst gegebnem Bevelch9 sein
Allmusen geben solle.
Da aber uber solche Anordnung unnd Vermahnung
| 3r | etwann reiche, wolhabende Leut sich finden, die
sich ihrem Vermögen ungemäß und mit ihr Hilff
nicht recht mitleydig und gebührlich erzeigten, die-
selbigen sollen Ihr beschicken und zu Red stellen,
unnd da einer oder der ander ausser widerspensti-
gem, verstocktem, groben Gemüth unnd unbarm-
hertzigkeit uber gethone Erinnerung unnd Vermah-
nung in dieser allgemeinen, grossen Noth kein All-
musen oder nicht seinem Vermögen nach geben wol-
te, sollen Ihr gegen demselbigen einsehens thun und
ihne (ohne hindernuß seiner vermeinten Einreden
unnd Außzug) seinem Vermögen gemäß ein Wo-
chentliche Stewr aufferlegen, solche auch (so lang
die Thewrung und Hungersnoth wehret) von ime
unnachlässig einziehen und, welcher hierüber mit
Worten oder sonsten sich trutzig darwider setzte,
selbigen andern zum Exempel seiner Grob- und Un-
barmhertzigkeit halben umb ein Summa Gelts in
Armen Casten straffen und darunder niemandts
verschonen.
Im fahl nun (neben dem, so obgelauter massen also
ersamblet wirdt) deß Armen Castens oder der Hei-
ligen Einkommen in eim oder anderm Ort nicht rai-
chen noch erklecken möchte, den Armen Dürfftigen
umb Gottes willen gebührlich zuhelffen, auch an-
dern Haußarmen, so sich mit ihrer Arbeit ohne für-
setzen und leyhen nicht ernehren und deß Bettels
9 Vgl. Mt 19,21; Mk 10,21; Lk 18,22.

erwehren oder ihre geringe Gütlin nicht verkauffen
könden, auff widergeben fürzustrecken, So solt Ihr
selbigen Cästen und Heiligen von den Spittäln, deß-
gleichen von andern genachbarten vermöglichen
Cästen und Heiligen, der Casten Ordnung gemäß
fürstrecken und zuheben lassen und Euch hierinnen
mit einander gebührlich vergleichen.
Item, da ein Kast oder Heilig neben den Stifftungen
(welche in alle weg deß Fundatoris und Stiffters In-
tention nach ohnverendert bleiben sollen) sonsten
andere Zinß und selbst angelegte Gülten oder an-
dere außständige Schulden oder Remanet hette, sel-
bige solt Ihr in jetziger Noth angreiffen und etwann
den Pflegschafften, den Communen oder andern
vermöglichen Leuten solche Schulden (doch Unserer
Landts Ordnung den Rechten und Billigkeit gemäß)
verkauffen unnd auß dem erlößten | 3v | Gelt dem
Armen, jetzt nothleydenden Menschen, hilff thun,
in erwegung, daß bey wolfailen und bessern Jahren
die Gülten darumb gemacht werden, damit man
sich deren in dergleichen Nothfällen getrösten unnd
dieselbe angreiffen möge, Da dann, Ob gleich jetzo
das Hauptgut angegriffen und darvon eingebüßt
wirdt, durch Gottes Seegen dasselbig künfftig wider
ergäntzt unnd andere Gülten gemacht werden kön-
den und sollen.
So dann uber diß alles (namblich deß Castens und
der Heiligen Einkommen und Vermögen und An-
greiffung der Gülten Schulden, auch Entlehnung
von andern benachbarten Kästen oder Spittäln,
deßgleichen das Wochentlich gesamblet Allmusen
unnd Strewr der Vermöglichen an einem oder mehr
Orten) zu erhaltung der Armen etwas weiters ab-
lauffen unnd Mangel erscheinen wolte, solches sol-
len Ihr mit allen erhaischenden nothwendigen umb-
ständen, wie es in allweg darmit beschaffen, wieviel
selbiger Armen unnd was es bey jedem für ein Ge-
legenheit habe, welcher gestalt auch ihnen zuhelffen,
zu Unserer Cantzley in Unsern Kirchen Rath gelan-
gen lassen, gedencken Wir alßdann (ohnangesehen,
Wir allbereit mit hinaußgebung einer mercklichen
Anzahl Früchten ab Unsern Geistlichen Kästen hin

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