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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0498
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Baden

1. Die Reformen des Markgrafen Philipp I.

1. Kirchenordnung 1533 (Text S. 499)
2. Klostermandat 1528 (Text S. 512)
Die im Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrte Handschrift mit dem Titel Marggraff Philipsen zu
Baden Kirchen Ordnung 15335 ist keine geschlossene Ordnung, sondern eine Zusammenstellung einzelner
Mandate, die vielleicht sogar erst nach Philipps Tod veranlasst wurde; das Karlsruher Manuskript umfasst
9 Mandate, dabei fehlen die von Fester 1890 abgedruckten Mandate Nr. [VIII] und [XI]; Fester gibt an, er
habe Nr. [VIII] aus Vierordts Werk6 und Nr. [XI] aus dem Münchner Bestand hinzugezogen.7 Beim
Münchner Bestand handelt es sich ebenfalls um eine Sammelhandschrift, diesmal genauer bestimmbar auf
die Zeit der Vormundschaftsregierung für Markgraf Philibert von 1539, als auf dem Baden-Badener Tag die
religiösen Streitigkeiten innerhalb der Vormundschaft durch die Erneuerung der letzten Mandate Philipps
beigelegt wurden;8 neben Mandat [XI] enthält er auch eine Dublette von Mandat [IX].
Theologisch und kirchenpolitisch gehört in diesen Zusammenhang ferner ein Brief des Markgrafen Phi-
lipp an das Kloster Lichtenthal aus dem Jahre 1528 wegen der Aufnahme neuer Novizinnen und Nonnen; in
einem Kopialbuch aus späterer Zeit9 wird der ganze Schriftverkehr des Markgrafen mit dem Kloster doku-
mentiert.
Diese Mandate, die sich mit den typischen Fragen der frühen Reformationszeit beschäftigen, sprechen eine
eigentümliche Sprache. Philipp und sein Kanzler Hieronymus Veus10 zeigen sich in Fragen der äußeren
Ordnung (z.B. Priesterehe, Laienkelch, rechtlicher Status der Geistlichen, Abschaffung der Stolgebühren,
Umwidmung des Zehnten und der Stiftungen)11 nahe an reformatorischen Standpunkten.12 Alle inhaltli-
chen, theologischen Punkte aber werden einem späteren Konzil vorbehalten und, vor allem in den späteren
Mandaten, weitergehende Änderungen am heiligen Glauben und den Gebräuchen der Voreltern abgelehnt.
Wegen dieser zumindest zeitweise reformfreundlichen Haltung haben schon die Zeitgenossen vermutet,
Philipp sei auf Seiten der Reformation einzuordnen und sein späteres Verhalten als Rückfall zum alten
Glauben zu werten.13 Kattermann konnte nachweisen, dass Philipp dabei unterschiedlichen und wider-
strebenden Einflüssen am eigenen Hofe ausgesetzt war: Der Mehrteil der Räte und der Hofprediger Franz
Fritz gen. Irenicus14 sind ohne weiteres als Luther-Anhänger zu charakterisieren, während Veus schon 1521
zum entschiedenen Gegner Luthers wird.15

5 Vgl. GLA Karlsruhe 74/4321.
6 Vierordt, Carl Friedrich, De Johanno Ungero Pforz-
hemiensi Philippi Melanchthonis Praeceptore Diatri-
bam, Karlsruhe 1844. Vierordt wiederum behauptet,
seine Quelle sei das Straßburger Thomasarchiv - eine
Angabe, die schon Fester, Religionsmandate, S. 307f.,
1890 nicht verifizieren konnte.
7 Fester, Religionsmandate, S. 307f.
8 Vgl. Reinking, Vormundschaften, S. 76.
9 Es ist vom „damaligen Kanzler Vehus“ die Rede; Hie-
ronymus Veus war bis 1545 badischer Kanzler.
10 Hieronymus Ve(h)us, geb. 1484 in Baden, Besuch der
Lateinschule in Pforzheim, ab 1503 Studium in Freiburg,
Empfang der niederen Weihen, 1506 Frühmessner zu
Niederbühl, 1510 Dr.iur.utr., 1511 Rektor der Freibur-
ger Universität und badischer Rat, 1513 Heirat mit
Dorothea von Sasbach, 1514 endgültiger Wechsel in

badische Dienste, 1518 badischer Kanzler bis zu seinem
Tode 1545. Vehus leitete auf dem Wormser Reichstag
1521 die Verhandlungen mit Luther, wobei er, eigentlich
ein Förderer kirchlicher Reformen, zum entschiedenen
Gegner Luthers wurde, vgl. Bartmann, Die badische
Kirchenpolitik, S. 7f., 45. Seine Tochter Barbara wurde
1551 Äbtissin im badischen Kloster Lichtenthal, vgl.
Lederle, Die kirchlichen Bewegungen, S. 447.
11 Vgl. Bartmann, Die badische Kirchenpolitik, S. 18.
12 Vgl. Benrath, Art. Baden, TRE 5, S. 98.
13 Vgl. Cramer, Pfarrerbuch IV, S. 6.
14 Franz Fritz (oder Friedlieb) gen. Irenicus; geb. 1494
oder 1495 in Ettlingen, Besuch der Lateinschule in
Pforzheim, stud. 1510 Heidelberg, 1516 mit Melancht-
hon und A. Blarer in Tübingen, 1517 Mag. in Heidel-
berg, bei der Heidelberger Disputation anwesend, 1522
Hofprediger in Baden-Baden, 1524 Heirat, 1531 entlas-

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